Guten Tag
Bei einer laufenden IV-Anmeldung möchte sich ein 59-jähriger Mann frühpensionieren. Er erhält eine Überbrückungsrente, welche er bis zum ordentlichen Rentenalter durch Belastung des Pensionskassenkapitals aufstocken kann. Somit kann er die Frühpension knapp finanzieren.
Wie sieht es aus, falls er eine IV-Rente zugesprochen bekommt? Ich nehme an, die PK-Auszahlungen bleiben sich gleich, oder?
Was gibt es dabei noch zu beachten?
Herzlichen Dank für die Rückmeldung und Gruss
Heidi Herzog
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte Frau Herzog
Die Antwort auf Ihre Frage ist abhängig von den konkreten Umständen und bräuchte eine genauere Abklärung des Sachverhalts. Ich rate zu einer individuellen Beratung durch einen spezialisierten Rechtsdienst, z.B. der Procap, der Integration Handicap oder dergleichen.
Hier das Wichtigste.
a) Beachten sollte man arbeitsvertragsrechtliche und allenfalls GAV-rechtliche Aspekte. Ev.bestehen insoweit besondere Regeln oder Ansprüche, die eine Rolle spielen können, neben der Pensionskasse.
b) Vor allem aber sind die Leistungen und Bedingungen der PK auf der Basis des bestehenden Pensionskassenreglementes. genauer abzuklären: Dabei ist auch zu prüfen, ob und inwieweit bei einem Eintritt der Invalidität nach einer Frühpensionierung eine Anpassung der Leistungen möglich ist, bzw. ob eine allfällige IV-Rente angerechnet wird und wie weit. Im Obligatorium des BVG sind Anrechnungen der Leistungen der IV vor Erreichung des ordentlichen Rentenalters nach Art. 24 BVV2 i.V.m. Art.34a BVG grundsätzlich möglich.
c) Alles Weitere ist aber dem Reglement der Vorsorgeeinrichtung zu entnehmen und sich von dieser bestätigen zu lassen. Namentlich ob bei einem allfälligen nach der Frühpensionierung erfolgten Zusprache einer IV-Rente ein Rückkommen also ein nachträglicher Verzicht auf die Frühpensionierung möglich ist oder ob eine allfällige Erhöhung der Vorruhestandsleistung bzw. der Überbrückungsrente bei nachträglich eintretender Invalidität vorgesehen ist.
d) Entscheidend ist pensionskassenrechtlich auch, welcher Versicherungsfall - Alter (Frühpensionierung) oder Invalidität - zuerst eintritt. Wenn in Ihrem Fall der Versicherungsfall Invalidität zuerst eintritt, besteht hinsichtlich der Pensionskasse zumindest im Bereich des Obligatoriums der PK, kein Wahlrecht, sondern nur noch die Möglichkeit von Invalidenrenten.
Der Versicherungsfall Invalidität gilt dann als eingetreten, wenn nach Ablauf eines Jahres mit durchschnittlicher 40% Arbeitsunfähigkeit eine Invalidität bleibt, die auch zu einer Invalidenrente der IV führt. Wenn dieser Zeitpunkt vorliegt VOR dem Termin der Frühpensionierung so besteht im Prinzip kein Wahlrecht mehr und in Ihrem Fall würde eine Frühpensionierung verweigert, bzw. der Betroffene hätte auf jeden Fall Anspruch auf die reglementarisch vorgesehenen Leistungen bei Invalidität
e) Falls der Vorsorgefall Invalidität NICHT vor dem Termin der Frühpensionierung eintritt, ist für die Beratung, ob am IV-Gesuch festgehalten werden soll, bzw. ob eine Frühpensionierung ratsam ist bei der PK und mit dem PK-Reglement zu prüfen, wie grosszügig die PK-Leistungen im Falle Invalidität im Vergleich zu den Überbrückungsleistungen der PK sind, bzw. wie diese bei späterer Invalidität angepasst werden (siehe oben lit. b). Und: wie der Gesundheitszustand des Betroffenen ist und ob er willens und in der Lage ist, sich dem weiteren IV-Abklärungsverfahren noch zu unterziehen und inwieweit Aussicht auf eine IV-Rente besteht. Insoweit spielt auch eine Rolle wie gut die Einschränkung der Gesundheit durch ärztliche Berichte beschrieben ist (auch bezüglich anderer möglicher Stellen als nur der bisherigen Tätigkeit) und ob mit einer weiteren Verschlechterung der Gesundheit gerechnet werden muss.
Aber: Die Klientin darf bei einem allfälligen Rückzug eines IV-Gesuchs wegen der Schadenminderungspflicht involvierte Versicherungsträger nicht schädigen. Meist würde die PK einen solchen Rückzug nicht sanktionieren sondern akzeptieren. Aber falls eine Krankentaggeldversicherung bei laufender Arbeitsunfähgikeit involviert ist, wird diese meist über die IV-Renten ausbezahlte Krankentaggelder rückfinanzieren wollen. Relevant ist dies, wenn die KTV seit seit mehr als einem Jahr Taggelder ausbezahlen muss (da ja frühestens auf den Zeitpunkt nach einem Jahr AUF auch IV-Rentenleistungen fliessen). Falls dies der Fall sein sollte, kann ein Rückzug eines IV-Gesuchs nur empfohlen werden, wenn dies mit der KTV abgesprochen ist und deren Zustimmung schriftlich bestätigt ist.
f) Sollte der Betroffene aktuell noch erwerbstätig sein, ist noch eine Besonderheit bei der Methode für die Berechnung des IV-Grades zu beachten: Vgl. dazu auch Bundesgerichtsentscheid 9C_9/2013 Erw. 2.1ff.): Kommt es dazu, dass bei Eintritt des Gesundheitsschadens oder der Invalidität keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, z.B. nach einer Frühpensionierung, ist aber eine Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zumutbar, so wird ein Einkommens-vergleich gemacht. Ist hingegen eine Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zumutbar so kommt der - häufig ungünstigere - Betätigungsvergleich zur Anwendung (vgl. Kreisschreiben über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung (Rz. 3012 KSIH; Stand: 1. Januar 2018 ).
g) Im Weiteren ist zu beachten, dass eine Person auch nach dem Vorbezug weiterhin AHV/IV-Beiträge bis zum Erreichen des ordentlichen Rentenalters bezahlen muss. Wird kein oder nur ein relativ geringes Erwerbseinkommen erzielt bezahlt man je nach Umständen des Umfanges der Erwerbstätigkeit eventuell Beiträge als nichterwerbstätige Person, erhoben nach Vermögen und kapitalisiertem Renteneinkommen, ausser der Ehegatte leiste noch als erwerbstätige Person mindestens das Doppelte der Mindestbeiträge.
h) Und es sind steuerrechtliche Aspekte in Erwägung zu ziehen, insb. bezüglich der Besteuerung des Überbrückungsrenteneinkommens.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Peter Mösch Payot
Guten Tag Herr Mösch
Herzlichen Dank für die Ausführungen, welche sehr dienlich sind.
Mit freundlichen Grüssen
Heidi Herzog