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Fristlose Kündigung

Veröffentlicht:
20.03.2019
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Sehr geehrter Herr Pärli
Ein Klient war bei einer Firma angestellt. Das Arbeitsverhältnis wurde in gegenseitigem Einvernehmen gekündigt (mit der Frist eines Monats), da der Klient mit den Arbeitsaufgaben nicht einverstanden war und auch der Arbeitgeber nicht mit seinen Leistungen. Im Anschluss an die reguläre Kündigung erfolgte eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber, als dieser erfuhr, dass sich der Arbeitnehmer in ärztliche stationäre Behandlung begeben (muss). Ist dies zulässig?
Im Anschluss daran, hat der Arbeitgeber die "letzte" Lohnzahlung zurückbehalten und den Klienten "erpresst" bzw. "genötigt" (?), eine Vereinbarung zu unterzeichnen. Erst dann werde der Lohn ausbezahlt. In der Vereinbarung war enthalten, dass der Arbeitnehmer auf sämtliche Ansprüche (wie zB. der Krankentaggeldversicherung) verzichtet.
Wie soll der Klient vorgehen? Soll er sich an die Schlichtungsbehörde wenden?
Danke für Ihre Unterstützung.
Freundliche Grüsse
N. Luginbühl

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geehrte Frau Luginbühl
Gerne beantwort4e ich Ihre Frage wie folgt:
Sie schrieben, das Arbeitsverhältnis sei im gegenseitigem Einvernehmen gekündigt worden. Eine Kündigung in gegenseitigem Einvernehmen ist rechtlich nicht möglich. Entweder handelt es sich um eine Kündigung oder um einen Aufhebungsvertrag. Ein Aufhebungsvertrag ist möglich und rechtlich gültig, sofern der Arbeitnehmer nicht auf ihm nach Gesetz zwingend zustehende Ansprüche verzichtet hat, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten.
Ob vorliegend eine Kündigung oder ein Aufhebungsvertrag vorliegt, muss anhand der konkreten Umstände entschieden werden. Ich weiss, in welchem Dienstjahr sich ihr Klient befindet und was im ursprünglichen Arbeitsvertrag vereinbart war. Falls bereits mindestens das zweite Dienstjahr vorliegt, kann ein Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Monaten gekündigt werden. Allerdings können die Parteien vertraglich auch eine kürzere Frist vereinbaren.
Im vorliegenden Fall haben sich die Parteien offensichtlich geeinigt, dass das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von einem Monat gekündigt werden kann bzw. dass das Arbeitsverhältnis ab Beginn der Einigung in einem Monat enden soll.. Wenn dies in beidseitigem Interesse liegt, wäre auch ein entsprechender Aufhebungsvertrag zulässig.
Grundsätzlich gehe also für die weiteren Ausführungen davon aus, dass die Kündigung mit Frist von einem Monat bzw. der Aufhebungsvertrag gültig ist. Die Parteien blieben aber während der noch laufenden Frist verpflichtet, je ihre Leistungen zu erfüllen, dh. Ihr Klient musste Arbeit und die Arbeitgeberin musste den Lohn ausrichten. Auch ein bereits mit einer bestimmten Frist gekündigtes Arbeitsverhältnis (oder per Aufhebungsvertrag auf einem bestimmten Zeitpunkt auzulösendes Arbeitsverhältnis) kann von beiden Parteien per sofort (fristlos) gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund im Sinne von Art. 337 OR vorliegt. Wichtig ist nun Art. 337 Abs. 3 OR: Eine unverschuldete Arbeitsunfähigkeit des Arbeitgebers darf vom Richter nie als wichtigen Grund anerkannt werden.
Nun schreiben Sie, dass ihr Klient stationär behandelt werden musste. Eine aus diesem Grund ausgesprochene fristlose Kündigung ist missbräuchlich (aufgrund des Sachverhaltes, wie Sie ihn schildern, vielleicht sind noch andere Aspekte relevant, diese sind aber im Sachverhalt nicht erwähnt). Das Arbeitsverhältnis bleibt zwar beendet, die Arbeitgeberin schuldet aber den Lohn bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist (Schadenersatz), die sich überdies wegen Arbeitsunfähigkeit noch verlängern wird (beachte Art. 336c Abs. 2 und ev. Abs. 3 OR). Zudem ist allenfalls eine Entschädigung wegen der Missbräuchlichkeit der fristlosen Kündigung geschuldet.
Nicht klar ist mir, was Sie meinen mit "die letzte Lohnzahlung zurückbehalten"? Ist damit Lohn gemeint für die Zeit, als der Arbeitnehmer noch gearbeitet hat? Das wäre in hohem Masse unzulässig, ihr Klient hat auf jeden Fall Anspruch auf diesen Lohn (zusätzlich zum Schadenersatz und der Entschädigung wegen missbräuchlicher fristloser Kündigung).
Gänzlich unzulässig ist schliesslich der Verzicht auf sämtliche Ansprüche, namentlich auch Kankentaggeldleistungen. Nach Art. 341 OR kann der Arbeitnehmer auf ihm zustehende Ansprüche (zwingende gesetzliche Ansprüche und solche, die nach GAV zustehen) gar nicht gültig verzichten.
Ihr Klient soll sich umgehend an die Schlichtungsbehörde wenden und die entsprechenden Forderungen stellen.
Weiter empfiehlt sich, dass der Klient sich direkt an die Taggeldversicherung und an die Pensionskasse wendet und dort darüber informiert, dass er im Zeitpunkt des Austritts aus der Firma arbeitsunfähig war.
Zudem ist auch erforderlich, dass sich Ihr Klient bei der Arbeitslosenversicherung meldet. Sofern die Arbeitsunfähigkeit nicht länger als einen Monat dauern wird, ist ihr Klient vermittlungsfähigk.
Bei einer länger dauernden Arbeitsunfähigkeit ist auch eine Meldung an die IV zu überlegen.
Genügen Ihnen diese Auskünfte?
Mit Dank für die Kenntnisnahme und besten Grüssen
Kurt Pärli

Sehr geehrter Herr Pärli,
besten Dank für Ihre ausführliche Beantwortung.
Darf ich noch folgende Zusatzfrage stellen:
Der Klient ist wohnhaft im Kanton Luzern, der Sitz der Arbeitgeberfirma ist im Kanton Bern und der Arbeitsort war im Kanton Zug.
Soll sich der Klient mit dem Schlichtungsgesuchsformular an die Schlichtungsbehörde Luzern (oder Bern od. Zug) wenden oder direkt an das Arbeitsgericht (Luzern, Bern oder Zug)?
Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
N. Luginbühl

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geehrte Frau Luginbühl,
Gerne beantworte ich Ihre zusätzliche Frage.
Die schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) sieht hinsichtlich Gerichtsstand für Klagen der Arbeitnehmenden folgendes vor:
ZPO Art. 34 Arbeitsrecht
1 Für arbeitsrechtliche Klagen ist das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder an dem Ort, an dem die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer gewöhnlich die Arbeit verrichtet, zuständig.
Damit kann Ihr Klient die Klage im Kanton Bern oder im Kanton Zug einreichen. Vor einer allfälligen Klageeinrichtung ist obligatorisch der Weg des Schlichtungsverfahrens zu bestreiten.
Im Kanton Bern muss wie folgt vorgegangen werden: https://www.justice.be.ch/justice/de/index/justiz/organisation/obergericht/ueber_uns/schlichtungsbehoerden.html (die dort aufgeführten Schlichtungsbehörden sind alle auch für arbeitsrechtliche Streitigkeiten zuständig)
In Zug: https://www.zg.ch/behoerden/zivil-und-strafrechtspflege/schlichtungsstelle-arbeitsrecht Hier ist eine einzige Schlichtungsstelle für alle arbeitsrechtlichen Streitigkeiten im Kanton Zug zuständig.
Genügen Ihnen diese Auskünfte? Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli

Sehr geehrter Herr Pärli
Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Ausführungen, welche nun soweit ausreichen sollten.
Freundliche Grüsse
N. Luginbühl