Sehr geehrte Herren
Meine Klientin ist seit 6 Jahren in 100 % in Vorgesetztenfunktion für ein kleines Team angestellt.
Letztes Jahr wurde sie schwanger, informierte darüber frühzeitige ihre direkte Vorgesetzte.
Diese zeigte sich zuerst offen für eine Weiterbeschäftigung auch in reduziertem Pensum.
Die Klientin äusserte den Wunsch für ein 60 % Pensum nach der Schwangerschaft, die damalige Stelle wäre aber gemäss Vorgesetzten nur mit 80 % weiterführbar gewesen.
Gemäss meiner Klientin wurde sie damals unter Druck gesetzt, entweder arbeite sie die 80 % weiter in bisheriger Funktion oder die Angestellte müsse kündigen. Ein entsprechender Entscheid wurde noch während der Schwangerschaft von der Angestellten erwartet.
Die Vorgesetzte schlug noch während der Schwangerschaft der Klientin für diese eine befristete Stelle nach dem Mutterschaftsurlaub vor, verbunden aber mit wesentlicher Lohneinbusse.
Die Angestellte lehnte daraufhin mündlich die Weiterführung ihrer Funktion mit 80 % ab und sagte für die 50 % angebotene befristete Stelle nach der Mutterschaft ebenfalls mündlich zu. Dies, obwohl sie sich unter Druck gesetzt fühlte.
Inzwischen ist die Angestellte Ende letztes Jahr Mutter geworden und ist derzeit noch in Mutterschaftsurlaub, welcher gemäss Arbeitsvertrag 18 Wochen dauert (4 Wochen über dem Obligatorium). Ihre bisherige Stelle wurde neu besetzt.
Von der Personalabteilung wie der Vorgesetzten wird nun verlangt, – noch während dem Mutterschaftsurlaub - dass die Angestellte von sich aus ihre Stelle schriftlich kündige.
Die Kündigungsfrist beträgt 2 Monate. Meine Klientin soll nun selber 2 Monate (2-monatige Kündigungsfrist) vor Ende Mutterschaftsurlaub kündigen. Sprich 18 Wochen minus 8 Wochen, somit müsste sie ca. Ende Februar ihre Kündigung einreichen.
Die Angestellte / meine Klientin ist nun verunsichert, da sie daraus für sich Nachteile sieht:
Einerseits hatte Sie Ende 2017 kein Mitarbeitergespräch, auch wurde bis heute für sie kein Arbeitszeugnis erstellt, welches sie noch vor der Niederkunft ihres Kindes verlangte.
Ebenfalls ist sie selber derzeit am Abklären für ev. andere Stellen in der gleichen Firma, ebenfalls arbeitet ihr Ehemann in der Firma. Sie unterhalte zu verschiedenen Abteilungen sehr gute Beziehungen, nach Möglichkeit möchte sie in der Firma mit einer unbefristeten Anstellung gemäss ihren Fähigkeiten weiterarbeiten und möchte entsprechend keinen Konflikt mit der Firma.
Fragen:
- Von diversen Seiten wurde meiner Klientin empfohlen, nicht selber schriftlich zu kündigen. Soll oder muss sie schriftlich selber während dem Mutterschaftsurlaub kündigen? Wenn sie nicht selber kündigt, was sind die Risiken für sie?
- Kann sie anstelle von einer Kündigung eine Änderungskündigung / Vertragsänderung beantragen?
- Kann sie allenfalls von der Firma verlangen, dass diese ihr kündigen, damit sie besser von der Arbeitslosenkasse profitieren kann?
- Da nichts schriftlich vorliegt und alles nur mündlich vereinbart wurde, kann sie von ihrer Vorgesetzten und der Personalabteilung verlangen, dass diese ihr etwas Schriftliches aushändigen?
- Stimmt es, dass mündliche Vereinbarungen nicht gültig sind, nur schriftliche Abmachungen? Im Arbeitsvertrag steht darüber nichts.
- Was ist die Konsequenz auf berufliche Weiterentwicklung, wenn die Firma ihr kündigt?
- Gemäss Arbeitsvertrag steht: «Ferner hat die Mitarbeiterin ausgerichtete überobligatorische Leistungen zurückzuerstatten, wenn die Mitarbeiterin das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von sechs Monaten nach Beendigung des Mutterschaftsurlaubes kündigt.“. Das heisst doch, dass bei einer Kündigung der Klientin diese die 4 Wochen überobligatorischen Mutterschaftsurlaub allenfalls zurückzubezahlen hat?
- Was sind allgemein ihre Rechte und was kann sie von der Firma verlangen punkto Job und Kündigung sowie Mutterschaftsschutz?
Herzlichen Dank für Ihre Stellungnahme / Antwort.
Freundliche Grüsse, Esther Schöpfer, SOBECO
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Sehr geehrte Frau Schöpfer
Gerne beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:
Zwei Dinge sind vorab festzuhalten, ihre Klientin ist in einem unbefristeten Anstellungsverhältnis im sechsten Dienstjahr und ist schwanger. Gemäss Art. 336c Abs. 1 lit. c OR geniesst ihre Klientin absoluten Kündigungsschutz bis 16 Wochen nach der Niederkunft. Eine Kündigung während dieser Zeitspanne ist nichtig, auch jede Änderungskündigung.
Weiter ist wichtig, dass Verträge grundsätzlich einzuhalten sind. Das heist im Falle ihrer Klientin, dass Sie nach Beendigung des ihr vertraglich zugesicherten Mutterschaftsurlaubes von 18 Wochen grundsätzlich an den ursprünglichen Arbeitsvertrag gebunden ist. Will Ihre Klientin den Vertragsinhalt abändern, bedarf es dafür die Zustimmung der Vertragspartnerin, also der Arbeitgeberin.
Soweit die Ausgangslage, nun zu ihren konkreten Fragen.
- Von diversen Seiten wurde meiner Klientin empfohlen, nicht selber schriftlich zu kündigen. Soll oder muss sie schriftlich selber während dem Mutterschaftsurlaub kündigen? Wenn sie nicht selber kündigt, was sind die Risiken für sie?
Eine Kündigung durch Ihre Klientin ist aus mehreren Gründen nicht zu empfehlen, schon gar nicht während der Schwangerschaft und sinnvollerweise auch nicht während des Mutterschaftsurlaubes. Man weiss ja nie, was in der Schwangerchaft bzw. bei der Niederkunft und danach geschehen kann. Kündigt die Arbeitnehmerin selbst, geniesst sie keinen Kündigungsschutz mehr, auch nicht, wenn sie z.B. verunfallen oder erkranken sollte (Ein Unfall oder eine Krankheit würde eine eigenständige Sperrfrist auslösen). Zudem hätte ihre Klientin im Falle einer Arbeitslosigkeit Probleme bei der Arbeitslosenversicherung wegen selbst verschuldeter ARbeitslosigkeit, was entsprechende Sanktionen (Einstelltage) nach sich ziehen würde. - Kann sie anstelle von einer Kündigung eine Änderungskündigung / Vertragsänderung beantragen?
Wie in der Ausgangslage geschildert, bedarf es für eine Vertragsänderung immer beide Parteien. Ihre Klientin kann jedoch einen Vorschlag für eine Vertragsanpassung machen und darauf hoffen, dass die Arbeitgeberin einwilligt. Am besten ist die Verhandlungsposition, wenn ihre Klientin unter Umständen auch bereit ist, zumindest vorübergehend auch das ursprünglich vereinbarte 80% Pensum weiter zu führen. Zu beachten ist, dass sie auch nach der Niederkunft und nach dem Mutterschaftsurlaub gewisse Schutzvorschriften des Arbeitsgesetzes geniesst (keine Nacht- und Abendarbeit, bezahlte Stillzeit, Rücksicht bei der Gestaltung der Arbeitszeit usw., grundsätzlich muss der Betrieb für eine Elternschaftskonforme Gestaltung des Arbeitsumfeldes einschliesslich der ARbeitszeit Hand bieten, dies auch bei einem 80% Pensum). - Kann sie allenfalls von der Firma verlangen, dass diese ihr kündigen, damit sie besser von der Arbeitslosenkasse profitieren kann?
Nein, das kann sie nicht. Eine Kündigung ist eine einseitige Willenserklärung der kündigenden Partei, das kann nur die Partei tun, die künden will. - Da nichts schriftlich vorliegt und alles nur mündlich vereinbart wurde, kann sie von ihrer Vorgesetzten und der Personalabteilung verlangen, dass diese ihr etwas Schriftliches aushändigen?
Es besteht Anspruch, auf ein schriftliches Arbeitszeugnis (jederzeit). Ich würde Ihrer Klientin empfehlen, selber eine Aktennotiz zu verfassen mit den Abmachen, die ihrer Meinung nach getroffen wurden. Diese Notiz soll sie dann der vorgesetzen Person und der HR-Abteilung zukommen lassen mit der Bitte um Bestätigung oder ggf. Ergänzungen/Anpassungen. - Stimmt es, dass mündliche Vereinbarungen nicht gültig sind, nur schriftliche Abmachungen? Im Arbeitsvertrag steht darüber nichts.
Das ist primär ein Beweisproblem (siehe auch meine Antwort zur Ihrer vierten Frage). - Was ist die Konsequenz auf berufliche Weiterentwicklung, wenn die Firma ihr kündigt?
Es kommt sicher darauf an, wie die Kündigung begründet wird bzw. was in ihrem Arbeitszeugnis steht. Allenfalls ist es für Ihre Klientin besser, wenn eine Aufhebungsvereinbarung getroffen wird, in der beide Parteien ihre Vorstellungen einbringen können und man schlussendlich einen Konsens findet. Wichtig ist, dass ihre Klientin sich nicht unter Druck setzen lassen muss, sie steht in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis und geniesst bis16 Wochen nach der Niederkunft absoluten Kündigungsschutz (siehe oben, Ausgangslage). - Gemäss Arbeitsvertrag steht: «Ferner hat die Mitarbeiterin ausgerichtete überobligatorische Leistungen zurückzuerstatten, wenn die Mitarbeiterin das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von sechs Monaten nach Beendigung des Mutterschaftsurlaubes kündigt.“. Das heisst doch, dass bei einer Kündigung der Klientin diese die 4 Wochen überobligatorischen Mutterschaftsurlaub allenfalls zurückzubezahlen hat?
Das ist tatsächlich so, wobei es noch auf die Umstände der Vertragsauflösung darauf ankommt. Dieser Punkt könnte auch Gegenstand der Verhandlungen über die Auflösung des ARbeitsverhältnisses sein (siehe Antwort zu Frage 6). - Was sind allgemein ihre Rechte und was kann sie von der Firma verlangen punkto Job und Kündigung sowie Mutterschaftsschutz?
Vieles entnehmen Sie den vorangehenden Antworten, weiter empfehle ich die Lektüre dieser Webseiten:
http://www.mamagenda.ch/de/mamagenda/home.html
https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/PublikationenDienstleistungen/PublikationenundFormulare/Arbeit/Arbeitsbedingungen/Broschuren/mutterschaft--schutz-der-arbeitnehmerinnen.html
Genügen Ihnen diese Informationen?
Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli
Herzlichen Dank Herr Pärli für Ihre kompetente Bearbeitung / die sehr schnelle Antwort!
Ich melde mich, wenn ich noch zusätzliche Fragen habe, sonst einmal mehr - einfach merci!
Esther Schöpfer