Guten Tag Herr Pärli
Ich habe eine Klientin, bei der momentan zwei Dinge parallel laufen. Sie arbeitet seit 1.5 Jahren im Service eines Restaurants zu 80% (unterliegt dem L-GAV). Sie leidet an einer chronischen Erkrankung (5 Absenzen innerhalb 18 Monate) und müsste zusätzlich eine Knie-OP (laut Aussagen der KL stünden diese beiden Gebrechen nicht im Zusammenhang) machen lassen. Momentan besteht KEINE Arbeitsunfähigkeit und die KL arbeitet die 80%. Der KL wurde nun in einem Mitarbeitendengespräch eröffnet, dass sie 3 Monate Zeit habe, ihre Absenzen zu verbessern resp. würden nach 3 Monaten bei gehäuften Absenzen, a) eine Pensenreduktion geprüft sowie b) weitere Massnahmen geprüft. Eine Pensenreduktion könne sich die KL finanziell nicht leisten.
Aus Angst vor einer Kündigung hat besagte KL zu genau diesem Zeitpunkt dem Arbeitgeber noch nicht kommuniziert, wann die geplante Knie-OP ansteht (geplant sei diese im Februar 2019).
Die Frage ist nun, wie sieht es mit der Mitteilungspflicht betreffend geplanten und voraussichtlichen Absenzen wegen AUF durch OP und Reha aus: Gibt es eine rechtlich verbindliche Regelung, betreffend fristgerechter Information an Arbeitgeber durch Arbeitnehmer?
Ich bin unsicher, ob die Kündigung missbräuchlich wäre, wenn diese vom Arbeitgeber ausgesprochen wird im Vorwissen, dass in rund 5 Monaten eine OP geplant ist, welche negative Folgen für den Arbeitgeber mit sich bringt.
Meine konkreten Fragen also: 1. Wann soll die KL dem Arbeitgeber die geplante OP mitteilen und ist es sinnvoll, wenn Sie dies nach einer mündlichen Mitteilung schriftlich zum Beispiel per E-Mail „dokumentiert“?
- Wie soll sie im Falle einer Kündigung während der Wartezeit vor der OP vorgehen?
Herzlichen Dank bereits im Voraus und freundliche Grüsse
Chantal Neyerlin
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Sehr geehrte Frau Neyerlin
Gerne beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:
Vorerst erlaube ich mir den Hinweis, dass die „Drohung“ der Arbeitgeberin, bei weiteren Absenzen würde das Pensum reduziert oder es würden andere Massnahmen geprüft, arbeitsrechtlich problematisch ist. Krank zu werden liegt normalerweise nicht im Machtbereich einer Person. Auch ist diese Haltung der Arbeitgeberin nicht geeignet, ein Vertrauensverhältnis herzustellen, das Grundlage jeder funktionierenden Arbeitsbeziehung darstellt.
Ihre Klientin ist hinsichtlich des geplanten OP-Termins in einer schwierigen Situation. Nach Gesetz und GAV besteht keine ausdrückliche Pflicht, über bevorstehende Arbeitsverhinderungen zu informieren. Art. 31 des L-GAV hält fest, dass bei Verhinderung an der Arbeitsleistung (u.a. aus Gründen eines Unfalles oder einer Krankheit) die Arbeitgeberin umgehend zu informieren ist. Gemeint ist damit der Zeitpunkt, in dem die Arbeitsverhinderung eingetreten ist.
Vorliegend liegt der Zeitpunkt der Arbeitsverhinderung in der Zukunft, also besteht noch keine Informationspflicht. Zu beachten ist aber auch die arbeitsvertragliche Treuepflicht, die sich auf Art. 321a OR stützt. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die berechtigten Interessen der Arbeitgeberin in guten Treuen zu wahren. Daraus lässt sich auch ableiten, dass der Arbeitnehmer über bevorstehende Abwesenheiten informieren muss, wenn sich eine solche Abwesenheit für den Arbeitgeber als nachteilig auswirkt und eine vorzeitige Information erlaubt, entsprechende Dispositionen zu treffen (Personalplanung usw.).
Zwischenergebnis: Je nach Umständen im Betrieb ist eine Information Ihrer Klientin über die bevorstehende OP angebracht. Damit würde ihre Klientin auch zeigen, dass sie die Signale des Mitarbeitergesprächs durchaus verstanden hat und um die Schwierigkeiten weiss, die Absenzen für den Betrieb nach sich ziehen könnte.
Wenn nun das Arbeitsverhältnis zeitnah zur Information über die geplante OP durch die Arbeitgeberin gekündigt würde, wäre dies ein m.E. klarer Fall einer missbräuchlichen Kündigung. Der Fall liesse sich unter Art. 336 Abs. 1 lit. a subsumieren, denn eine Krankheit ist Teil unserer Persönlichkeit und die Kündigung würde ja unmittelbar im Zusammenhang mit der Information über die geplante OP stehen.
Nun, Sie wissen sicher, dass auch eine missbräuchliche Kündigung eine gültige Kündigung ist. Zu beachten ist aber, , dass bei einer Kündigung vor dem OP-Termin möglicherweise der Ablauf der Kündigungsfrist gehemmt würde. Annahme: Information erfolgt am 15. Oktober, Kündigung am 31. Oktober per 31. Dezember. Wenn die OP z.B. vom 1. Bis 15. Dezember stattfinden würde, ruht in dieser Zeit der Ablauf der Kündigungsfrist (Siehe Art. 336c Abs. 2 OR) und das Arbeitsverhältnis verlängert sich.
Falls Ihre Klientin die Arbeitgeberin nicht informiert bzw. erst dann informiert, wenn sie ins Spital muss, ist ihre Situation paradoxerweise zumindest kurzfristig besser. Es tritt nämlich dann ein Sperrfristenschutz ein, d.h. während des Spitalaufenthaltes und allfälliger Rekonvaleszenz darf die Arbeitgeberin nicht künden. Sobald ihre Klientin die Arbeitsfähigkeit aber wieder erlangt, würde die Arbeitgeberin ziemlich sicher künden und ob in diesem Fall eine missbräuchliche Kündigung vorliegt, ist weniger klar, da hier der Arbeitnehmerin auch ein Verstoss gegen die Treuepflicht vorgeworfen werden könnte (siehe oben).
Zusammengefasst: Ob und wann eine Information über die geplante OP sinnvoll ist, kommt auch auf die konkreten Verhältnisse im Betrieb an. Eine Information erhöht vermutlich die Chancen auf Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses. Und wie erwähnt, eine Kündigung nach Information wäre auf jeden Fall missbräuchlich.
Genügen Ihnen diese Informationen für das weitere Vorgehen?
Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen