Sehr geehrtes Team der Rechtsberatung
Ein Klient, den ich in einer ambulanten Wohnbegleitung begleite hat per 31.10.2022 ein Verfügung der Sozialhilfe Basel erhalten(Rückerstattung aufgrund Leistungen Dritter) mit der Info, dass durch die Verrechnung von IV-Taggeldern und EL-Krankheitskosten mit den Unterstützungsleistungen der Sozialhilfe ein Überschuss entstanden ist. Der Überschuss kann per sofort ausgezahlt werden.
Wir haben dem Klienten ein Teil des Überschusses ausgezahlt in Absprache mit der fallführenden Sozialarbeiterin der Soialhilfe.
Im April 2023 bekam ich und der Klient eine Mail von der Sozialhilfe, dass die Verfügung evtl. falsch sei und bis auf Weiteres keine Auszahlungen vorgenommen werden sollen. Telefonisch wurde mir mitgeteilt, dass noch Schulden vom Klienten vorliegen die man evtl. gegenrechnen möchte.
Jetzt im August 2023 hat der Klient einen Brief bekommen über eine Rückzahlungsverpflichtung und Schuldanerkennung. Er soll den Betrag aus der Verfügung von Oktober 2022 in Raten zurückzahlen.
Meine Frage besteht darin, welche Möglichkeiten der Klient im Falle einer falsche Verfügung hat , da er hier in "Gutem Glaube" handelte.
Vielen Dank und freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Entschuldigen Sie die arbeitsbedingt verzögerte Beantwortung Ihrer Anfrage. Wenn ich Sie richtig verstehe, möchte die Sozialhilfe nachträglich auf ihre Verfügung vom 31. Oktober 2022 zurückkommen, da ihr ein Fehler unterlaufen ist. Sie möchte den Fehler nun auf dem Weg einer Schuldanerkennung korrigieren. Dies ist rechtlich nicht korrekt. Vielmehr müsste sie auf dem Weg der Wiedererwägung darauf zurückkommen. D.h. sie müsste eine neue Verfügung erlassen, die die Verfügung vom 31. Oktober 2022 ersetzt. Mit der neuen Verfügung wird in dem Sinne nochmals die Abrechnung über die bevorschussten Leistungen gemacht. Zwar ist die Wiedererwägung im Organisationsgesetz des Kantons Basel-Stadt (OG; GS 153.100) nicht geregelt, jedoch ist sie Teil der Verwaltungspraxis. Voraussetzung ist indes, dass die Verfügung zweifellos unrichtig und deren Korrektur von erheblicher Bedeutung ist. Damit soll dem Vertrauen in die Beständigkeit einer behördlichen Verfügung Rechnung getragen werden (Rechtssicherheit), was der vorliegende Fall schön veranschaulicht (vgl. dazu Ulrich Häfelin / Georg Müller / Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Auflage, Dike 2016, Rz. 1280).
Auf Basis der neuen Abrechnung muss die Sozialhilfe dann im Vergleich zur alten Verfügung die zurückzuerstattende Summe errechnen sowie in nachvollziehbarer Weise darlegen. Diese beiden Vorgänge «neue Abrechnung» und «Rückerstattungsberechnung» kann in derselben Verfügung erfolgen. Ob der Rückerstattungstitel des unrechtmässigen Bezugs im Sozialhilfegesetz des Kantons Basel-Stadt (SHG; SG 890.100) als Rechtsgrund für die Rückforderung in Frage kommt, ist aber eher fraglich. § 19 Abs. 1 SHG/BS lautet wie folgt:
"Wer durch unwahre oder unvollständige Angaben, durch Verletzung der Meldepflicht oder in anderer Weise unrechtmässig die Ausrichtung von wirtschaftlicher Hilfe erwirkt, hat den zu Unrecht bezogenen Betrag zurückzuerstatten."
Vorliegend handelt es sich meiner Meinung nach nicht um einen unrechtmässigen Bezug. Womöglich kann sich die Sozialhilfe Basel-Stadt aber auf Art. 62 OR berufen, da Ihr Klient durch die offenbar falsche Abrechnung und den zu hohen Überschuss bereichert wurde, und zwar in ungerechtfertigter Weise (vgl. dazu Häfelin / Müller / Uhlmann, a.a.O., Rz. 148 ff.). Dabei muss aber beachtet werden, dass im geschilderten Fall nur noch in dem Umfang zurückgefordert werden darf, als der Klient noch bereichert ist, d.h. über den Überschuss noch verfügt, da er offenbar weder bösgläubig war noch mit der Rückerstattung rechnen musste (vgl. Art. 65 OR).
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort Ihre Frage beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Mir ging noch ein Aspekt unter: Sie schrieben, dass die Sozialhilfe Basel-Stadt allenfalls auch Schulden verrechnen möchte. Bei der Verrechnung mit nachgezahlten Sozialversicherungsleistungen ist stets die zeitliche Kongruenz zu beachten. D.h. die Sozialhilfe kann die Verrechnung nicht einseitig anordnen, wenn die Schulden nicht aus der gleichen Zeitperiode stammen wie die IV-Taggelder. Sie kann in dieser Hinsicht lediglich den Klienten um Rückzahlung "ersuchen". Ob die Pfändungsvoraussetzungen erfüllt wären, wenn die Sozialhilfe bereits über die Rückerstattungstitel verfügt, muss vorliegend offen bleiben.