Guten Morgen Herr Mösch
Ich melde mich bei Ihnen betreffend folgendes Problem:
Ein Klient von mir, ledig, langjähriger Sozialhilfebezüger, ist im Dezember 2017 gestorben. Ich konnte vor seinem Tod abklären, wo er sein PK Geld hatte, ich wusste nicht, dass er sterben würde!
Jetzt ist er aber gestorben. Er hatte 7 Geschwister, 6 haben die Erbschaft ausgeschlagen und nur eine (unwissend) hat es angenommen.
Ich habe bei den Statuten der Auffangstiftung, wo die Pensionskasse ist, gelesen, dass wenn keine Kinder, Ehepartner oder Eltern vorhanden sind, die Geschwister sich die PK auszahlen lassen können. Ich habe mit dem alleinigen Erben, bzw. seinem Berater (er bezieht auch Sozialhilfe), Kontakt aufgenommen, damit sie die Auszahlung der Pensionskasse in die Wege leiten können. Die Idee war, ein Teil der Erbschaft der Sozialhilfe zukommen zu lassen (Rückzahlung) und der Rest den alleinigen Erben zu lassen, damit er eine Zeit lang ohne Sozialhilfe auskommen kann.
Meine erste Überlegung war, dass in diesem Fall nur der Erbe das geltend machen kann, zwar der, der NICHT ausgeschlagen hat…. Im Team meint jemand aber, dass ALLE Geschwister, auch die, die ausgeschlagen haben, Anspruch auf die PK haben. Das ist meine erste Frage: Wer hat Anspruch auf die Auszahlung der Pensionskasse?
Meine zweite Frage, wir komme ich auf das Geld für eine Rückzahlung der Sozialhilfe? Muss die Gemeinde beim Erben die Sozialhilfeschuld geltend machen, bzw. betreiben? Oder sollen wir es über das Konkursamt abwickeln?
Ich glaube wir können es direkt bei der Auffangstiftung nicht geltend machen, oder doch? Da sind wir uns alle etwas uneinig.
Danke für Ihre Rückmeldung und einen schönen Tag.
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte Frau Tamagni
Gerne beantworte ich Ihre Fragen.
a) Zunächst jene danach, wer beim Verstorbenen Anspruch hat auf bestehende Anwartschaften der Pensionskasse.
Bei Ersparnissen in der Pensionskasse geht es nicht um Vermögen, welches dann beim Tod nach den Regeln des Erbrechts aufgeteilt wird. Vielmehr handelt es sich bei der beruflichen Vorsorge um eine Sozialversicherung. Das heisst, dass sowohl die Beiträge als auch die Leistungen gemäss Gesetz (BVG) und im Überobligatorium im Rahmen des Gesetzes nach dem Reglement bestimmt werden. Dazu gehört auch die Frage, wer welche Leistungen bei der Pensionskasse erhalten kann. Der Anspruch auf HInterlassenenleistungen fällt also nicht in die Erbmasse (vgl. BGE 129 III 307 E.2.2). Das ist bei Hinterlassenenleistungen der PK gleich wie bei Leistungen einer Lebensversicherung.
Ich gehe davon aus, dass die betroffene Person beim Tod bei einer Pensionskasse versichert war (sie schreiben von der Auffangeinrichtung) und die Leistungen somit nicht auf einem Freizügigkeitskonto parkiert waren.
Gemäss Art. 18ff. BVG entstehen Hinterlassenenleistungen aus einer bestehenden PK – neben zwei Sonderfällen - beim Tod der versicherten Person, wenn die Person bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zum Tod geführt hat, versichert war oder wenn er im Zeitpunkt des Todes eine Alters- oder Invalidenleistung der Vorsorgeeinrichtung erhielt.
Die Begünstigtenordnung sieht vor, dass primär unter bestimmten Voraussetzungen der überlebende Ehegatte (Art. 20 BVV2), in gewissen Fällen auch der geschiedene Ehgatte, Leistungen zu Gute hat (Art. 19 BVG), ebenso haben eingetragene Partner und Waisen gesetzlich zwingend Ansprüche beim Tod der versicherten Person.
Andere Personen haben dann Anspruch auf Hinterlassenenleistungen, wenn es reglementarisch im Reglement der PK vorgesehen ist (Art. 20a BVG): Dazu können auch Eltern oder Geschwister gehören, wenn kein Lebenspartner Leistungen erhalten kann und wenn dies das Reglement der Vorsorgeeinrichtung so vorsieht (Art. 20a Abs. 1 lit. b BVG).
Dieser Anspruch ist wie gesagt unabhängig vom Erbrecht oder von der Geltendmachung des Erbanspruchs und kann von den Beteiligten direkt bei der PK geltend gemacht werden.
b) Falls in Ihrem Fall bei der Auffangeinrichtung keine Pensionskasse bestand (ihr Klient also nicht versichert war) , sondern Freizügigkeitskapital parkiert war (also Mittel, die dann für einen Wiedereintritt in eine Pensionskasse dorthin hätten mitgenommen werden können), so gilt für die Begünstigung beim Tod des Betroffenen, dass zwar keine Hinterlassenenleistungen (Renten) ausbezahlt werden, dass aber das Kapital ebenfalls nach einer gesetzlichen Begünstigtenordnung – unabhängig vom Erbrecht verteilt wird – ganz ähnlich wie wenn der Betroffene beim Tod bei einer PK versichert wäre. Das ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 und 2 Freizügigkeitsverordnung (FZV). Dabei können gewisse Ansprüche der Begünstigten durch das Reglement der Freizügigkeitseinrichtung näher bezeichnet werden, was z.B. das Reglement der Stiftung Auffangeinrichtung in Art. 10 (Stand 1.1.2018 ) gemacht hat.
Vergleiche: http://www.chaeis.net/fileadmin/CHAEISSYNC/Internet/FZK/FZKReglement%20inkl.%20Verwaltungskosten/DFZKReglement_2018.pdf.
Hingegen besteht keine Möglichkeit, dass der Sozialdienst direkt Vorsorgegelder eines verstorbenen Bezügers bei der PK geltend macht oder direkt sich Freizügigkeitskapital nach dem Tod auszahlen lässt.
c) Der Rückerstattungsanspruch der Sozialhilfe – auch die Frage gegenüber wem er sich unter welchen Voraussetzungen richtet - ist nach dem kantonalen Sozialhilfegesetz zu bestimmen. Im Kanton Aargau sieht Art. 20 SPG vor, dass primär der rückerstattungspflichtig ist, der die materielle Hilfe bezogen hat, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse sich soweit gebessert haben, dass eine Rückerstattung ganz oder teilweise zugemutet werden kann.
Im Weiteren sind Erbinnen und Erben höchstens im Umfang der empfangenen Erbschaft, und soweit sie dadurch bereichert sind, zur Rückerstattung verpflichtet.
Ebenso können gemäss § 20 Abs. 3bis SPG m Aargau Personen zur Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen herangezogen werden, die durch eine Kapitalleistung der zweiten oder dritten Säule begünstigt worden sind beim Tod der unterstützten Person. Höchstens aber im Umfang dieser Kapitalleistung. Davon ausgenommen sind überlebende Ehegatten, überlebende Konkubinatspartner, minderjährige Kinder sowie volljährige Kinder in Ausbildung bis zum vollendeten 25. Altersjahr.
d) Vor dem Hintergrund dieser Norm ist es also in Ihrem Fall wohl möglich, dass Personen, die als Hinterlassene Kapitalleistungen (Freizügigkeitsleistungen) der PK oder der Freizügigkeitseinrichtung (z.B. die Stiftung Auffangeinrichtung) nach dem Tod des Versicherten erhalten zur Rückerstattung der Sozialhilfe herangezogen werden. Allerdings höchstens bis zum Betrag der auf sie fallenden Kapitalleistung. Es dürfte nicht möglich sein, direkt bei der Auffangeinrichtung diese Ansprüche geltend zu machen. Vorab notwendig ist eine Vereinbarung mit den Betroffenen (§ 21 Abs. 2 und 3 SPG Aargau) oder dann eine entsprechende Verfügung. Zu beachten ist dabei auch das Verhältnismässigkeitsprinzip. Also die finanzielle Lage des betroffenen Begünstigten, und auf jeden Fall kann nicht mehr verlangt werden als der Betrag, der die betroffene Person als Freizügigkeitsleistung erhält.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot
Guten Tag Herr Mösch
Vielen Dank für die ausführliche Antwort!
Ich wünsche Ihnen trotz Hitze eine schöne Zeit.
Freundliche Grüsse
M. Tamagni