Lieber Peter
Frau S. hat eine PRA Büroarbeiten Ausbildung im Juli 2018 abgeschlossen. Seit August 2018 arbeitet sie im 2. AM. Die IV hat ein Gutachten veranlasst, welches ihr eine 50% AF im ersten Arbeitsmarkt im angestammten Bereich attestiert. Seit November 2019 hat sie Anspruch auf eine halbe Rente der IV (IV Grad 50%).
Die EL Stelle hat sie darum aufgefordert Bewerbungsbemühungen einzureichen, ansonsten wird ihr ein hypothetisches Einkommen von 19‘450.- angerechnet. Meiner Meinung nach ist dieses Vorgehen der EL nicht korrekt. Laut Art. 14a Abs. 3 Buchstabe b. ELV ist Art. 14a Abs. 2 nicht anwendbar, wenn: der Invalide in einer Werkstätte im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a des Bundesgesetzes IFEG arbeitet.
Die EL Stelle argumentiert, dieser Artikel beziehe sich nur auf jene Invalide, die auf die Beschäftigung in einer geschützten Werkstätte angewiesen seien, weil sie behinderungsbedingt auf dem freien Arbeitsmarkt nicht eingesetzt werden können. Die IV gehe bei Ihrer Zusprache von einer AF im 1. AM von 50% aus weshalb es ihr möglich sei einer entsprechenden Teilzeittätigkeit nachzugehen und werden, sofern Frau S. keine Bewerbungsbemühungen vorweisen könne, ein hypothetischen Einkommen anrechnen.
Ist das rechtlich korrekt?
Ich danke dir für deine Rückmeldung und Ausführungen.
E liebe Gruess
Luzia
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Liebe Luzia
a) b) Tatsächlich besagt Art. 14a Abs. 2 ELV, dass im Grundsatz für Personen unter 60 Jahren ein nach dem IV-Grad differenziertes hypothetisches Mindesteinkommen anzurechnen sei. Bei einem IV-Grad von 40-50% aktuell CHF 25930; bei einem IV-Grad von 50-60% CHF 19450 und bei einem solchen von 60 bis 70% von CHF 12970; bei einem IV-Grad über 70% CHF 0.
Art. 14a Abs. 3 ELV macht einerseits eine Ausnahme für Personen, deren IV-Grad im Aufgabenbereich, meist also im Haushalt, festgestellt wurde (Art. 27 IVV). Andererseits besagt Art. 13a Abs. 3 lit. b, dass Invaliden, die in einer Werkstätt im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. a des IFEG arbeiten, kein hypothetisches Einkommen einzurechnen sei.
Diesen Personen wird vielmehr der Lohn angerechnet, den sie allenfalls in der Werkstätte verdiene1n. (vgl. auch Carigiet/Koch, S. 154).
c) Entscheidend ist, wo die aktuelle Tätigkeit der betroffenen Person stattfindet. Handelt es sich um eine Institution im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. a IFEG, so darf nur der allenfalls dort erzielte Verdienst angerechnet werden.
Als solche Institutionen gelten allerdings gemäss dem besagten Artikel des IFEG nur Werkstätten, die dauernd intern oder an dezentral ausgelagerten Arbeitsplätzen invalide Personen beschäftigen, die unter üblichen Bedingungen keine Erwerbstätigkeit ausüben können.
Entscheidend ist also nicht, wo die Praxisausbildung stattfand, sondern wo die jetzige Tätigkeit stattfindet. Ist die Person in der Lage, ein Erwerbseinkommen zu erzielen, so dürfte sie gar nicht in einer IFEG-Werkstätte tätig sein. Ist sie aber in einer solchen Werkstätte tätig, so müsste argumentiert werden, dass unabhängig vom IV-Grad keine Erwerbstätigkeit möglich ist unter üblichen Bedingungen, und dass in Anwendung von Art. 14a Abs. 3 lit. b ELV keine Anrechnung erfolgen dürfe.
Höchstrichterlich wurde die hier aufgeworfene Frage noch nie entschieden. Ev. kann sich eine Einsprache, unter Einbezug einer Rechtsberatung lohnen, falls die aktuelle Tätigkeit in einer Werkstatt stattfindet, die nach Art. 3 Abs. 1 lit. a IFEG anerkannt ist.
Ich hoffe, das dient Dir.
Peter Mösch Payot