Liebes Expertenteam
Ich begleite einen Klienten, 50-jährig, welcher an einer seltenen, progressiven Erbkrankheit leidet. Er ist verheiratet und hat eine Tochter, welche von der gleichen Krankheit betroffen ist. Mein Klient erhält eine ganze IV-Rente und eine PK-Rente. Die Ehefrau hat ein kleines Einkommen aus einer Teilzeitanstellung. Das Ehepaar besitzt ein Haus, in welchem sie wohnen. Der untere Teil soll für die Tochter behindertengerecht ausgebaut werden (bisher einfache Massenunterkunft). Das Ehepaar möchte den unteren Teil an die Tochter überschreiben/verkaufen. Sie fragen sich, welches das beste Vorgehen (Verkauf, Überschreiben..,) ist? Was sind die Konsequenzen, wenn der Klient später allenfalls EL beziehen muss infolge Heimaufenthalt?
Das Ehepaar verfügt nebst dem Haus über praktisch kein Vermögen.
Vielen Dank für die Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Manuela Burkart
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte Frau Burkart
Ich gehe davon aus, dass Sie mit "Überschreiben der Liegenschaft" Schenkung meinen.
a) Mit Blick auf einen allfälligen EL-Anspruch dieses Klienten ist zu beachten, dass eine Schenkung als Vermögensverzicht beurteilt wird. Bei einem Verkauf unter dem Verkehrswert liegt der Verzicht in der Differenz des Verkaufspreises zum VErkehrswert (Art. 17c ELV). Wobei dies nur gilt, wenn die Gegenleitung (der Kaufpreis) weniger als 90% des Wertes der Liegenschaft aufweist (Art. 17b ELV).
Das hat zur Konsequenz, dass bei einem späteren EL-Anspruch der Schenkungsbetrag, oder bei einer Teilschenkung der Differenzbetrag zwischen Verkaufspreis und 90% des Verkehrswertes (nach steuerlichen Grundsätzen) als Vermögen berücksichtigt würde. (vgl. Art. 11a Abs. 2 ELG). Wobei beginnend ab dem zweiten Jahr nach dem Verzicht ein Freibetrag von CHF 10000 pro Jahr abgezogen würde (Art. 17e Abs. 1 ELV)
b) Mit den Regeln zum EL, die seit dem 1.1.2021 gelten, ist insbesondere eine so genannte Vermögensschwelle zu beachten. Bei Einzelpersonen von CHF 100000. solange ein Vermögen über diesem Betrag besteht (Schulden werden natürlich abgezogen), ist kein EL-Anspruch gegeben. Dabei werden zwar Liegenschaften oder LIegenschaftsteil, die selbst bewohnt werden, nicht berücksichtigt. Schenkungen oder Teilschenkungen (Delta zwischen Verkaufspreis und Verkehrswert) werden aber berücksichtigt!
c) Es ist also besonders wichtig, dass diese Schenkung/Überschreibung oder der allfällige Verkauf unter dem Verkehrswert idealerweise so bemessen werden, dass auf jeden Fall im Zeitpunkt des vermuteten möglichen EL-Bezuges nicht CHF 100000 oder mehr als Verzichtsvermögen (zusammen mit anderem Vermögen) vorliegen werden (Art. 9a ELG).
d) Wird die Vermögensschwelle unterschritten, so wird dann für die EL-Berechnung dieser Betrag des Verzichtsvermögens mit dem allfälligen anderen Vermögen zusammengezählt. Allfällige Schulden werden abgezogen. Von diesen Nettovermögen wird dann für eine Person, die noch in eigener Liegenschaft zu Hause wohnt, ein Freibetrag von CHF 112500 (für die selbstbewohnte Liegenschaft) abgezogen. In jedem Fall kommt im Weiteren der allgemeinen Freibetrag von CHF 30000 zur Anwendung (Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG).
Was dann noch an Vermögen, bzw. fiktivem Vermögen, übrig bleibt wird bei HeimbewohnerInnen in den meisten Kantonen zu 1/5 angerechnet als Einnahme. Das reduziert dann den Anspruch auf EL entsprechend. Wohnt die Person nicht im Heim und benötigt sie die EL wegen ihrer Invalidität wird 1/15 angerechnet, ist der EL-Bezug altersbedingt 1/10 (Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG A und Art. 11 Abs. 2 ELG).
Fazit: Mit Blick auf die hier zu erwartende EL ist also eher davon abzuraten, eine zu grosszügige Schenkung vorzunehmen, weil dies dazu führen könnte, dass später wegen der Vermögensschwelle keine oder dann eine nicht die Heimkosten deckende EL gewährt würde. Womit dann ev. Sozialhilfe in Anspruch genommen werden müsste. Und diese würde, falls die Verhältnisse günstig sind (Art. 328 ZGB), im Namen und an Stelle des Klienten auf das Kind als Verwandte greifen können.
Ich rate dazu abzuschätzen, wann etwa ein Heimeintritt zu erwarten wäre. Der Freibetrag von CHF 10000 für ein Vermögensverzicht, beginnend ab dem zweiten Jahr nach der Schenkung oder Teilschenkung, kann so aufgerechnet werden und stellt dann den möglichen Verzichtsbetrag dar.
Im Weiteren ist es wichtig hinsichtlich eines Verkaufs gut zu dokumentieren, dass und inwieweit von welchem Verkehrswert der Liegenschaft ausgegangen wurde. Der Betrag des Kaufpreises unter 90% dieses Wertes gilt als Verzicht. Über den Verkehrswert können das für den Verkauf in Anspruch genommene Notariat und das Steueramt die nötigen Auskünfte geben.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot
Grüezi Herr Mösch
Vielen Dank für Ihre Ausführungen. Ich habe noch eine Frage zum Verzicht. Sie schreiben, dass ein Vermögensverzicht bei Veräusserung nur vorliegt, wenn der Verkaufspreis weniger als 90% vom Verkehrswert beträgt (Art. 17b ELV). Wenn ich also von einem Verkehrswert von 500'000.- ausgehe, würde bei einem "Verkaufsbetrag" von weniger als 50'000.- (90%) obige Regelung zum Zuge kommen, was zur Folge hätte, dass meinem Klienten die Differenz vom Verkehrswert und Verkaufspreis, sprich 450'000.- angerechnet würden. Zusammen mit dem erhaltenen Verkaufsbetrag also total 500'000.-. Dies wäre dann wohl gleich wie bei einer Schenkung. Ist das korrekt?
Wenn mein Klient nun die Liegenschaft für 60'000.- "verkaufen" würde (immer noch mit dem gleichen Verkehrswert wie oben), dann käme Art. 17b oder auch 17c ELV nicht zum Zuge? Würden dann lediglich 60'000.- als Vermögen angerechnet? Dies scheint mir etwas zu "einfach"...
Vielen Dank für die Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte Frau Burkart
Da liegt wohl ein Missverständnis vor.
a) Ein Vermögensverzicht wird bei einer EL-Berechnung so berücksichtigt, wie wenn das Vermögen noch vorhanden wäre. Er wird also angerechnet und davon wird dann eine Quote (1/5 bei Heimbewohnern in den meisten Kantonen, 1/10 bei EL zur AHV oder 1/15 bei EL zur IV) zum Einkommen geschlagen, was den EL-Anspruch reduziert.
Dabei wird ein Freibetrag von CHF 10'000 pro Jahr abgezogen, erstmals im zweiten Jahr nach der Verzichtshandlung.
b) Die Frage ist nun, was so eine Verzichtshandlung ist, mit der dann im obigen Sinne verfahren wird. Das wird so definiert, dass jemand freiwillig, also ohne eine Pflicht zu haben, auf Vermögen verzichtet.
Klar ist, dass dies immer dann der Fall ist, wenn eine echte Schenkung erfolgt.
Etwas schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob eine Verzichtshandlung vorliegt, wenn jemand ein Vermögenswert, zum Beispiel eine Liegenschaft nicht einfach verschenkt, sondern verkauft.
Inwieweit liegt da nun eine "Verzichtshandlung" vor, wenn ich ja eine Gegenleistung in Form eines Kaufpreises zum Beispiel erhalte?
Und da ergibt sich aus Art. 17b ELV (siehe auch Rz. 3532.01 WEL (Stand 1.1.2021) Folgendes:
"Ein Verzicht bei Veräusserung liegt vor, wenn
– eine Person Vermögenswerte veräussert, ohne dazu rechtlich verpflichtet zu sein; und
– die Gegenleistung weniger als 90 Prozent der Leistung beträgt."
c) Das heisst in Ihrem Fall, dass bei einem Verkehrswert der verkauften Liegenschaft von CHF 50000 und einem Kaufpreis von 90%, also CHF 450000, KEIN Verzicht vorkommt, der dann anzurechnen wäre. Sind es weniger, so wäre der Betrag, der weniger als CHF 450000 ist, hingegen als Verzicht zum EL-Vermögen hinzuzuzählen.
OK so?
LG Peter Mösch Payot
Grüezi Herr Mösch
Vielen Dank für die nochmaligen Erklärungen.
Ja, da lag tatsächlich ein grosses Missverständnis vor!
Freundliche Grüsse