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EL-Anspruch der Witwe und ihres unehelichen Kindes

Veröffentlicht:
01.09.2017
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Damen und Herren
Ich hätte eine Frage zu folgender Situation:
Seit kurzem besteht eine Beistandschaft gem. Art. 394 i.V.m. 395 Abs. 1 u. 2 ZGB für Frau M.
Unsere Klientin Frau M. ist seit Februar 2016 verwitwet. Sie hat eine 11jährige Tochter, die nicht die leibliche Tochter des verstorbenen Ehemanns ist.
Frau M. bezieht eine Witwenrente der AHV. Es gibt keine BVG-Witwenrente. Frau M. selber war seit der Geburt ihrer Tochter nie berufstätig. Deshalb wurde eine EL-Anmeldung gemacht. In der nun eingetroffenen EL-Berechnung wird der Anspruch der Tochter auf einen EL-Anspruch verneint. Da die Tochter mit der Mutter im selben Haushalt lebt, wird jedoch der Mutter nur der halbe Mietanteil als anerkannte Ausgabe zugestanden. Ist das korrekt?
Vielen Dank für eine Antwort.
Christiane Klug
Berufsbeiständin

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Frau Klug
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage.
a) Zunächst zum EL-Anspruch des unehelichen Kindes. Die Tochter als uneheliches Kind hätte nur dann Anspruch auf EL, wenn sie selber auch einen Anspruch auf eine Waisen- oder Halbwaisenrente hätte. Das wäre dann der Fall, wenn sie vor dem Tod des Ehemannes ihrer Mutter als dessen Pflegekind betrachtet werden kann.
Art. 25 Abs. 3 AHVG i.V.m. Art. Art. 49 AHVV sehen eine solche Berechtigung zur Waisenrente für Pflegekinder vor, wenn sie unentgeltlich zu dauernder Pflege und Erziehung aufgenommen worden sind.
Das ist gemäss Rz. 3308 f f. der Wegleitung über die Renten (RWL) in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (Stand: 01.01.2017) unter folgenden Voraussetzungen der Fall:

  • Zwischen Pflegekind und Pflegeeltern oder dem Pflegeelternteil muss ein eigentliches Pflegeverhältnis bestan-den haben. Das Kind muss zur Pflege und Erziehung und nicht zur Arbeitsleistung oder beruflichen Ausbildung in die Hausgemeinschaft der Pflegeeltern aufgenommen worden sein und dort faktisch die Stellung eines eigenen Kindes innegehabt haben. Ohne Belang ist ferner, ob die Pflegeeltern mit dem Pflegekind verwandt sind oder nicht. Auch Stiefeltern, die ein Stiefkind in die Hausgemeinschaft aufgenommen haben, gelten zusammen mit dem Elternteil als Pflegeeltern.
  • Das Pflegeverhältnis muss vor dem Rentenfall unentgellich gewesen sein. Ergibt sich die Unentgeltlichkeit des Pflegeverhältnisses nach dem Eintritt des Rentenfalles, kann für das Pflegekind kein Anspruch auf Waisenrente mehr entstehen (ZAK 1967 S. 615). Von Unentgeltlichkeit geht man aus, wenn die an den oder die Pflegeelter/n für das Kind von dritter Seite erbrachten Leistungen (z.B. Unterhaltsbeiträge der Eltern oder von Verwandten, Alimentenbevorschussung, Kostgelder, Sozialversicherungsrenten, private Versicherungsleistungen) weniger als einen Viertel der tatsächlichen Unterhaltskosten decken (ZAK 1958 S. 335; ZAK 1973 S. 573).
  • Werden Sozialversicherungsrenten für das Kind ausgerichtet, so ist zu unterscheiden: Stammen die Leistungen aus Mitteln eines Pflegeelternteils, so handelt es sich dabei nicht um Zuwendungen von dritter Seite. Dies ist beispielsweise bei der Kinderrente aus der beruflichen Vorsorge der Fall, die zur vorbezogenen Altersrente des Pflegevaters ausgerichtet wird. Diese Kinderrente stellt Ersatzeinkommen für das Erwerbseinkommen dar, woraus der Pflegevater bislang Unterhalt geleistet hat. Durch diesen Wechsel zu einer Rente wird das bisherige unentgeltliche Pflegeverhältnis nicht zu einem entgeltlichen.
  • Unter Sozialversicherungsrenten von dritter Seite fällt hingegen eine Waisenrente oder Kinderrente, für welche ein leiblicher Elternteil Auslöser ist, sei es, weil dieser gestorben ist, IV- oder Altersrentner ist. Diesfalls ist das Pflegeverhältnis als entgeltlich zu qualifizieren.
  • Wird den Pflegeeltern für das Kind ein Vermögen zum Verbrauch oder zur Nutzung überlassen (z.B. eine einmalige Abfindung des Vaters), so gilt das Pflegeverhältnis als unentgeltlich, wenn das Vermögen im Durchschnitt der ganzen Unterhaltsdauer einer monatlichen Leibrente entspricht, die weniger als einen Viertel der tatsächlichen Unterhaltskosten deckt (ZAK 1968 S. 636).
  • Nicht als Entgelt sind zu betrachten: das eigene Erwerbseinkommen des Kindes, die den Pflegeeltern oder Eltern ausgerichteten Familien- und Kinderzulagen, Gelegenheitsgeschenke, Stipendien, EL zur AHV/IV.
  • Bei der Prüfung der Frage, ob die periodischen Leistungen oder Zuwendungen Dritter einen Viertel der Unterhaltskosten erreichen, ist in der Regel auf die durchschnittliche Leistung und den durchschnittlichen Unterhaltsbedarf für die ganze Unterhaltsdauer abzustellen. Massgebend sind aber grundsätzlich nur die effektiv geleisteten Unterhalts-beiträge. Rechtlich geschuldete, aber nicht geleistete Beiträge sind nur insoweit zu berücksichtigen, als die begründete Annahme besteht, dass sie in Zukunft tatsächlich bezahlt bzw. nachbezahlt werden (ZAK 1979 S. 349; ZAK 1985 S. 583).
  • Die für die Berechnung der Unentgeltlichkeit massgeben-den Unterhalts- und Erziehungskosten entsprechen den im Anhang III der RWL aufgeführten Werten (ZAK 1978 S. 311).
    Im Weiteren gilt
  • Das Pflegekind darf nicht schon wegen des Todes der Eltern eine Waisenrente und kein Elternteil darf schon eine Kinderrente der AHV oder IV für das Kind beziehen und
  • Das Pflegeverhältnis muss auf Dauer begründet worden sein. Das Kind darf von den Pflegeeltern nicht bloss für bestimmte Zeit aufgenommen worden sein; ferner muss nach dem Tode eines Pflegeelternteils der überlebende Teil das Pflegeverhältnis unbefristet fortsetzen. Als Indiz für eine dauernde Bindung des Pflegekindes zur Pflegefamilie kann der Umstand gelten, dass das Pflege-verhältnis seit der Begründung nie unterbrochen worden ist, dass die Eltern ihre Elternrechte nicht mehr ausüben, oder dass das Kind den Namen der Pflegeeltern angenommen hat. Nicht nötig ist dagegen, dass das Pflegeverhältnis vor dem Rentenfall schon bestimmte Zeit gedauert habe.
    Fazit: Es wäre also hier zu prüfen, ob nicht ein Anspruch auf Waisenrente für das Kind zu beantragen ist. Das wäre vor allem dann durchaus erfolgversprechend, wenn das uneheliche Kind auch beim Stiefvater gewohnt hat, ohne dass dafür ein erhebliches Entgelt im obigen Sinne gewährt wurde.
    b) Falls es in diesem Fall so ist, dass nur die Witwe einen Rentenanspruch hat, nicht aber deren uneheliches Kind, so gilt für die Berechnung der EL, dass das Kind aus der Rechnung zu bleiben hat.
    Gemäss Art. 8 ELV und konkreter Rz. 3121.04 der Wegleitung über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (WEL) (Gültig ab 01.04.2011; Stand: 01.01.2017) gilt, dass minderjährige Kinder, die weder Anspruch auf eine Waisenrente haben noch Anspruch auf eine Kinderrente begründen, mit ihren vom Gesetz anerkannten Ausgaben und anrechenbaren Einnahmen sowie dem Vermögen bei der Berechnung der EL der Eltern ausser Betracht fallen.
    Unterhaltsleistungen der Eltern an diese Kinder werden jedoch bei der Bemessung der den Eltern zustehenden jährlichen EL als Ausgabe berücksichtigt (vgl. Rz 3270.01 ff. der WEL).
    Die Berücksichtigung solcher Unterhaltsleistungen wäre also in Ihrem Fall zu prüfen.
    Ich hoffe, das dient Ihnen.
    Beste Grüsse
    Peter Mösch Payot

Guten Tag, Herr Mösch Payot
Vielen herzlichen Dank für Ihre ausführliche und sehr hilfreiche Antwort.
Angesichts Ihrer Ausführungen scheint es tatsächlich angezeigt, den Anspruch auf eine Waisenrente für das Kind genauer zu prüfen und allenfalls zu beantragen.
Beste Grüsse,
Christiane Klug