Frau X. ist seit fast 19 Jahren in einem 80%-Pensum bei ihrem Arbeitgeber angestellt. Im August 2016 wurde bei ihr eine Krankheit diagnostiziert, welche zu erhöhter Ermüdbarkeit führt. Sie war bisher aber nie länger krankgeschrieben und konnte 80% weiterarbeiten.
Im Februar 2017 hat ihr Arbeitgeber angekündigt, dass er ihr aus wirtschaftlichen Gründen (Umsatzrückgang im Laden) das Pensum auf eine 50%-Anstellung reduzieren müsse - dies komme ihrer gesundheitlichen Situation sicher auch entgegen.
Frau X. hat sich damit zunächst nicht einverstanden gegeben. In einem weiteren Gespräch haben sie sich geeinigt, dass sie auf ein 60%- Pensum reduziert. Frau X. hat nichts unterschreiben. Am 31.3.2017 hat sie vom Arbeitgeber eine Bestätigung erhalten, wonach auf Frau X's Wunsch per 1. Juni 2017 die Anstellung auf eine Stundelohnanstellung mit einem durchschnittlichen Pensum von 60% umgewandelt wird. Dies wird sowohl mit wirtschaftlichen wie auch mit gesundheitlichen Gründen begründet.
Seit 2 Wochen kann Frau X. aus gesundheitlichen Gründen effektiv nur noch 60% arbeiten. Mir ist unklar, ob/inwiefern diese Bestätigung einer Änderungskündigung gleich kommt. Falls Frau X. nun während der "Kündigungsfrist" krank geschrieben wird - welche Auswirkungen hätte dies auf die Kündigungsfrist? Was gilt es zu bedenken?
Gemäss Lohnabrechnung hat der Arbeitgeber eine Krankentaggeldversicherung. Frau X. hat sich im April auf Empfehlung ihres Arztes bei der IV angemeldet.
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Sehr geehrte Frau Kayser
Gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt:
Ein Arbeitsvertrag kommt auch ohne Schriftform zustande. Gleiches gilt im Prinzip auch für Änderungen des Vertrages. Allerdings sind mündliche Vertragsänderungen zu Lasten der Arbeitnehmer grundsätzlich heikel, angesichts des vom Arbeitsrecht angestrebten Schutzes der schwächeren Vertragspartei bedarf es für solche Änderungen an sich der Schriftform. Allerdings zeigt die Gerichtspraxis, dass eine Vertragsänderung auch durch Duldung durch den Arbeitnehmer zustande kommen kann.
Die entscheidende Frage bei ihrem Fall ist, ob eine einvernehmliche Vertragsänderung oder eine Teiländerungskündigung vorliegt. Von einer einvernehmlichen Vertragsänderung ist dann auszugehen, wenn die Anpassung des Beschäftigungsgrades einvernehmlich zwischen den Parteien ausgehandelt und entschieden wurde.
Gemäss Ihren Schilderungen war Ihre Klientin erst nicht und schlussendlich doch mit der Reduktion von 80 auf 60% einverstanden. Gemäss Sachverhalt hat daraufhin die Arbeitgeberin die Abmachungen schriftlich bestätigt, ihre Klientin habe jedoch "nichts unterschrieben". Es kommt nun darauf an, wie zum einen das Gespräch und zum anderen der Brief der Arbeitgeberin zu bewerten ist. Da - was ich davon ausgehe - der ursprüngliche Vertrag schriftlich vorlag und von beiden Parteien unterzeichnet wurde, kann man sich auf den STandpunkt stellen, dass auch die Vertragsänderung von beiden Parteien zu unterzeichnen ist. In diesem Fall war das Gespräch und der getroffene Konsens noch nicht die Vertragsänderung, diese würde erst zustande kommen, wenn Ihre Klientin die Änderung unterschreibt. Somit wäre das Schreiben der Arbeitgeberin erst als Offerte zur Vertragsänderung zu verstehen. Wenn nun ihre Klientin diese Vertragsänderung nicht akzeptieren will, so liegt tatsächlich der Fall einer teilweisen Änderungskündigung vor und der Ablauf der Kündigungsfrist würde nun durch das Auftauchen einer 20% Arbeitsfunfähigkeit im Sinne von Art. 336c OR während längestens 180 Tagen gehemmt. Ihre Klientin hätte somit Anspruch auf den entsprechenden Lohnersatz.
Problematisch an der ganzen Sache ist, dass Ihre Klientin sofort nach Erhalt des Schreibens vom 31. März hätte reagieren müssen. Da jedoch die Frist für die Teilkündigung noch immer andauert (bis 31. Mai), ist m.E. auch jetzt noch möglich, schriftlich gegenüber der Arbeitgeberin bekannt zu geben, dass die Teilreduktion des Arbeitspensums nicht akzeptiert wird. Sinnvollerweise wird vorgängig (oder gleichzeitig) das Gespräch gesucht und es wird auch geklärt, ob die im vorliegenden Fall zuständige Taggeldversicherung auch für Arbeitsunfähigkeit von 20% Leistungen erbringt. Ist dies der Fall, wird es der Arbeitgeberin leichter fallen, den Beschäftigungsgrad auf den bisherigen 80% zu belassen. Wichtig ist auch, dass der Arbeitgeberin klar gemacht wird, welche dramatischen Konsequenzen hinsichtlich IV und PK-IV eine Reduktion des BG für Ihre Klientin haben kann. In einem gefährdeten Zustand ist eine Reduktion des Pensums im Hinblick auf bevorstehende (Teil)IV-Leistungen äusserst ungünstig.
Genügen Ihnen diese Auskünfte?
Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli