Liebes Expertenteam
Frau X. wurde per Ende Jahr gekündigt. Der Arbeitgeber hat bisher kein Arbeitszeugnis ausgestellt. Der Arbeitgeber ist mit der Arbeitsleistung nicht zufrieden und beschreibt die Zusammenarbeit als höchst schwierig. Er ist nicht bereit ein Arbeitszeugnis auszustellen, mit der Begründung, dass er ja auch wahrheitsgetreue Angaben machen muss und dies somit zu Ungunsten von Frau X. wäre. Er würde höchstens eine Arbeitsbescheinigung ausstellen. Er hat vorgeschlagen, dass Frau X. einen Vorschlag für ein Arbeitszeugnis macht und er dann diesen soweit als möglich übernimmt.
Soll Frau X. das Angebot annehmen und sich selbst ein Zeugnis schreiben?
Danke für die Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Luzia Schwegler
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Sehr geehrte Frau Schwegler
Die Rechtslage hinsichtlich ist eindeutig; Art. 330a Abs. 1 OR verleiht den Arbeitnehmenden das Recht, vom Arbeitgeber jederzeit ein Zeugnis zu verlangen, dass sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht. Art. 330a Abs. 2 OR verleiht dem Arbeitnehmer das Recht, statt ein Vollzeugnis lediglich eine Arbeitsbestätigung zu verlangen.
Somit ist klar, dass ein Arbeitnehmer ein Vollzeugnis verlangen kann und der Arbeitgeber verpflichtet ist, ein solches zu verfassen. Ein solches Vollzeugnis muss inhaltlich vollständig sein (was wurde von wann bis wann gearbeitet), wahr und vollständig sowie wohlwollend, wobei die Wahrheits- und Vollständigkeitsanforderungen nicht missachtet werden dürfen. Es gibt trotz dem Kriterium "wohlwollend" keinen Anspruch auf ein gutes Arbeitszeugnis.
Die Funktion eines Arbeitszeugnisses besteht auch darin, künftige Arbeitgeber über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers zu informieren. Wenn wichtige Aspekte nicht oder sogar falsch im Arbeitszeugnis enthalten sind, so haftet der alte Arbeitgeber, wenn der neue Arbeitgeber eine Person aufgrund eines falschen Zeugnisses anstellt und es zu einem Schaden kommt. Der Arbeitgeber stellt deshalb in seinem eigenen Interesse kein falsches oder zu gutes Zeugnis aus.
Zu Ihrem Fall: Das Vorgehen des Arbeitgebers ist nicht zu beanstanden, ihre Klientin kann einen Vorschlag für das Zeugnis formulieren, es ist dann Sache des Arbeitgebers, die notwendigen Korrekturen anzubringen.
Genügen Ihnen diese Auskünfte? Mit Dank für die Kenntnisnahme und besten Grüssen
Kurt Pärli