Guten Tag
Ein Arbeitnehmer (seit mehr als 15 Jahren im Betrieb) ist seit 3 Monaten aufgrund einer Hirnentzündung 100% krankgeschrieben. Sämtliche Ergebnisse des medizinischen Tests weisen mittlerweile eine vollständige Genesung aus.
Trotzdem empfiehlt die Ärzteschaft für einen Wiedereinstieg einen Arbeitsversuch von zwei Wochen. 100% Krankschreibung bei 50% Anwesenheit.
Die Krankentaggeldversicherung ist mit dem Arbeitsversuch, sofern er nicht länger als zwei Wochen dauert, einverstanden.
Von Seiten Ärzteschaft liegt nun für den Arbeitsversuch eine Einverständniserklärung vor, welche Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Ärzteschaft unterschreiben sollen. Der Arbeitgeber ist verunsichert und möchte die Erklärung rechtlich prüfen lassen. Vor allem auch, weil die Ärzteschaft sagt, es gehe dabei um eine rechtliche und versicherungsrechtliche Absicherung.
Meine Fragen:
Wenn ein Arbeitnehmer zu 100% krankgeschrieben ist, Krankentaggeld bezieht und einen Nichtbetriebsunfall hat, ist die Lohnfortzahlung unfallversichert?
Wenn ein Arbeitnehmer zu 100% krankgeschrieben, Krankentaggeld bezieht und im 2 wöchigen Arbeitsversuch (ohne IV) einen betrieblichen Unfall hat, ist der Lohn unfallversichert?
Gibt es andere wichtige versicherungsrechtliche oder rechtliche Fragen die man sich für einen 2-wöchigen Arbeitsversuch stellen müsste?
Vielen Dank.......
Frage beantwortet am
Daniel Schilliger
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag
In Art. 8 ATSG ist die Arbeitsunfähigkeit wie folgt definiert. Arbeitsunfähigkeit ist die durch eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit bedingte, volle oder teilweise Unfähigkeit, im bisherigen Beruf oder Aufgabenbereich zumutbare Arbeit zu leisten. Bei langer Dauer wird auch die zumutbare Tätigkeit in einem anderen Beruf oder Aufgabenbereich berücksichtigt.
Bereits diese Definition zeigt, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen interpretiert werden müssen. Es stellt sich die Frage, auf welche Tätigkeiten sich das Arztzeugnis bezieht. Ist nur die bisherige Tätigkeit gemeint, eine andere Tätigkeit, vielleicht sogar im gleichen Betrieb, aber möglich? Sind nur schwere Arbeiten gemeint, leichte aber möglich etc.?
Oft wird die Arbeitsunfähigkeit in Prozenten angegeben. 50% arbeitsunfähig kann bedeuten, dass jemand nur halbe Tage arbeiten kann oder aber ganze Tage, dafür mit halber Leistung.
Bei einem Menschen mit einer Hirnverletzung kommt das alles unter Umständen so zusammen, dass beispielsweise zeitlich eine Einschränkung von 20% und leistungsmässig von 50% besteht und zudem noch genauer definiert wird, welche Tätigkeit möglich und welche nicht zumutbar sind. So resultiert dann eine Arbeitsfähigkeit in bisheriger Tätigkeit von 100% und in angepasster Tätigkeit von 40% (50% Leistung in einem 80%-Pensum).
Wenn von ärztlicher Seite keine Einwände gegen den Arbeitsversuch vorliegen, steht dem also nichts im Wege.
Die Krankentaggeldversicherungen orientieren sich in der Regel an der aufgezeigten Definition und werden daher das Taggeld auch während dem Arbeitsversuch noch weiter ausrichten, sofern die Arbeitsfähigkeit in bisheriger Tätigkeit noch weiter eingeschränkt ist. Sie haben kein Interesse daran Eingliederungsbemühungen zu blockieren, sondern verlangen im Gegenteil im Rahmen der Schadenminderungspflicht die aktive Teilnahme daran.
Es kann sinnvoll sein die Wiedereingliederung im bisherigen Betrieb durch ein Coaching begleiten zu lassen, so dass mögliche Probleme zeitnah und vor Ort angegangen werden können. Die Finanzierung des Coachings ist denkbar über die Krankentaggeldversicherung und über die IV. Die IV hat verschiedene Instrumente dafür zu Verfügung wie Frühinterventionsmassnahmen, Integrationsmassnahmen oder den Arbeitsversuch.
Die Unfallversicherung endet mit dem 31. Tag nach dem Tag, an dem der Anspruch auf mindestens den halben Lohn aufhört (Art. 3 UVG). Gemäss Art. 7 UVV gelten unter anderem Taggelder der obligatorischen Unfallversicherung, der Militärversicherung, der Invalidenversicherung (IV) und jene der Krankenkassen und privaten Kranken- und Unfallversicherer, welche die Lohnfortzahlung ersetzen, auch als Lohn. Wenn das Taggeld der Krankentaggeldversicherung also betraglich mindestens dem halben Monatslohn entspricht, besteht die UV-Deckung weiter, sofern die Krankentaggelder innerhalb eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden. Andernfalls könnte eine sogenannte Abredeversicherung abgeschlossen werden, mit der der UV-Schutz noch um 6 Monate verlängert werden kann.
Da die UV-Regelung oft Fragen aufwirft, empfehle ich in solchen Fällen die Unfallversicherung des Betriebes über die Situation zu informieren und sie zu bitten zur Frage nach der Versicherungsdeckung Stellung zu nehmen.
Freundlicher Gruss
Daniel Schilliger