Hallo Manfred
Mein Patient kann auf Grund von finanziellen Schwierigkeiten (hohe Schulden) und der neu eingetretenen Querschnittlähmung sein eigenes Geschäft nicht mehr weiterführen. Ein Privatkurs (Einzelfirma, haftet mit seinem Privatvermögen) konnte durch die Auszahlung der IE von einem früheren Unfall für den Moment vermieden werden. Die IV ist involviert. Der Patient hat keine Taggeldversicherung bei Krankheit abgeschlossen, weshalb er keine Einnahmen hat. Die Taggelder der Unfallversicherung sind seit Juli 2017 ausgeschöpft. Er besitzt zusammen mit seiner noch-Ehefrau und der Tochter ein Haus. Die Frau hat sich frisch getrennt, aber noch nicht gerichtlich. Sonst hat er zwei Lebensversicherungen, Prämienbefreiung ab Dezember 2017, hat aber die Beiträge von diesem Jahr noch nicht einbezahlt.
Ich gehe davon aus, dass der Patient ab der gerichtlichen Trennung Anspruch auf WSH haben sollte. Meine Frage ist aber, was mit den Lebensversicherungen passiert und mit dem Haus. Dieses gehört zu 50% ihm, ist also Vermögen. Die Ehefrau und die Tochter wollen im Haus bleiben. Somit ist das Vermögen (unter der Voraussetzung, dass dies das Gericht so verfügt) gebunden und er wird die Liegenschaft nicht selber bewohnen.
Eine weitere Überlegung ist, dass die IV möglichst bald die Rentenprüfung vornimmt (der Patient ist bereits seit zwei Jahren zu 50% arbeitsunfähig auf Grund eines Arbeitsunfalles), um so ein Einkommen zu generieren und zur Beruhigung der jetzigen Situation beizutragen. Dann stellt sich aber beim Anspruch auf EL auch wieder die Frage, wie mit dem Wohneigentum umgegangen wird.
Besten Dank für deine Einschätzung,
einen lieben Gruss
Fabienne
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Sigrist
Zu Ihrer Information Manfred Seiler ist seit diesem Frühjahr in Pension. Ich bin seine Nachfolge bei Sozialinfo und beantworte gerne Ihre Anfrage.
Die Frage der Berücksichtigung der Lebensversicherung und der Liegenschaft ist in der Sozialhilfe eine Frage des Subsidiaritätspinzips. Es geht also darum, inwieweit die genannten Vermögenswerte der Sozialhilfe vorgehen.
Zu den Lebensversicherungen halten die SKOS-Richtlinien in E.2.3 fest, dass diese wegen der Rückkaufsmöglichkeit grundsätzlich zu den liquiden Vermögenswerten zählen. Sie empfehlen aber, vom Rückkauf u.a. dann abzusehen, wenn IV-Leistungen absehbar sind. In diesem Fall empfehlen sie sogar die Prämie weiterzubezahlen. Die Sozialhilfe würde diesfalls aber die Nachzahlung im Umfang der Bevorschussung für sich beanspruchen können.
Grundeigentum ist im Kapitel E.2.2 der SKOS-Richtlinien geregelt. Grundsätzlich besteht kein Anspruch, Grundeigentum zu erhalten, soweit dieses zusammen mit den übrigen Vermögenswerten den Vermögensfreibetrag gemäss Kapitel E.2.1 übersteigt. Die SKOS-Richtlinien empfehlen jedoch bei etwa selbstbewohntem Eigentum oder kurz- oder mittelfristigen Unterstützungsbedarf unter bestimmten Umständen Ausnahmen von der Versilberung des Grundeigentums zu machen. Im Merkblatt zum „Liegenschaftsbesitz im In- und Ausland“ hat die SKOS die Ausnahmen konkretisiert (siehe unter https://skos.ch/recht-und-beratung/merkblaetter/). Dabei spielt der Umstand der Familienwohnung eine Rolle, die die Sozialhilfe im Rahmen der Frage zu beachten hat, ob eine Auflage zum Verkauf der Liegenschaft verhältnismässig ist. Aus dem Merkblatt folgt, dass bei von Familienmitgliedern bewohnter Liegenschaft ein Verkauf als unverhältnismässig betrachtet wird (Ziff. 2), im Gegenzug sollte jedoch die Zahlung eines Mietzinses und/oder eine Sicherstellungshypothek geprüft werden (Ziff. 4 und 5). Die Zuteilung der Familienwohnung im Eheschutzverfahrens führt dazu, dass die Ehefrau selbständige Verwalterin der Wohnung wird; sie hat jedoch keine Auswirkung auf die Rechtsverhältnisse nach Außen. Für das Verfügen über die Wohnung (insb. die Veräusserung) braucht es das Einverständnis des anderen Ehegatten, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen (Art. 169 Abs. 1 ZGB). Dies gilt im Übrigen auch während der intakten ehelichen Gemeinschaft.
In dem von Ihnen genannten Fall ist somit zu prüfen, welcher Kanton für die Unterstützung Ihres Patienten zuständig ist und inwieweit die SKOS-Richtlinien in diesem Kanton Geltung haben und ob Abweichungen in diesen Fragen vorgesehen sind. Für die Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe verweist etwa das in Ihrem Arbeitskanton massgebende Luzerner Sozialhilfegesetz auf die SKOS-RL (vgl. § 31 Abs. 1 SHG Kt. LU) und sieht zum Grundeigentum und zu den Lebensversicherungen keine Abweichungen vor - weder im Gesetz noch in der Verordnung. So verweist auch das „Luzerner Handbuch zur Sozialhilfe“ in diesen Fragen auf die SKOS-RL (siehe Kapitel E.2.2. und E.2.3 des Handbuchs https://disg.lu.ch/themen/sozialhilfe/sozialhilfe_handbuch) und nimmt die Empfehlungen auf. Eine Spezialität hat das Luzerner Sozialhilfegesetz lediglich für den Fall des Vermögensverzichts vorgesehen, was vorliegend jedoch nicht im Vordergrund steht (vlg. § 32 SHG Kt. LU und die konkretisierenden Bestimmungen in der Verordnung).
Nach dem Gesagten ist bei der Sozialhilfe zu erwarten, dass sie in Bezug auf die Frage der Versilberung der Lebensversicherung und der Liegenschaften Ausnahmen prüfen wird, insbesondere wegen der Absehbarkeit von IV-Leistungen und zudem bei der Liegenschaft aufgrund der Zuteilung der Familienwohnung.
Zu den EL kann ich in diesem Forum nur die wesentlichen Unterschiede zur Sozialhilfe hervorheben. Die Sozialhilfe berücksichtigt das gesamte Vermögen, das über dem Vermögensfreibetrag liegt. Die EL berücksichtigen das über dem Vermögensfreibetrag liegende Vermögen nur im Umfang eines Vermögensverzehrs, der (bei stationären Aufenthalten sogar von Kanton zu Kanton) unterschiedlich berechnet wird (vgl. dazu Art. 11 ELG; zu kantonale Kompetenzen siehe Abs. 2). Die EL berücksichtigen sämtliche Vermögenswerte und rechnen Einkünfte aus Grundeigentum an. Die Wegleitung über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (WEL; https://www.bsvlive.admin.ch/vollzug/documents/index/category:59/lang:deu) geben dazu detaillierte Auskünfte (siehe etwa zu den Bestandteilen des Vermögens wie Lebensversicherungen Rz. 3443.01 ff. WEL). Ehepaare gelten als getrennt, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 1 Abs. 4 ELV erfüllen. Tritt dieser Fall ein, werden den dadurch eintretenden besonderen Umstände Rechnung getragen, so zum Beispiel beim Lebensbedarf. Wie es sich verhält, wenn die Ehefrau im Rahmen des Eheschutzes in der Wohnung verbleiben kann (Art. 176 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB), empfehle ich Ihnen mit den zuständigen Stellen der EL Rücksprache zu nehmen. Dabei wäre zu klären, ob in diesem Fall der Eigentumsanteil an der Wohnung als Vermögenswert angerechnet wird, oder nicht wie dies bei Nutzniessung/Wohnrecht der Fall ist (vgl. dazu Rz. 3443.06 WEL). Falls Sie zu den EL weitere Fragen haben, beantworten wir Ihre Fragen gerne im Rahmen des Forum Sozialversicherungsrecht.
Ich hoffe, mit meiner Antwort zur Klärung Ihrer Fragen beigetragen zu haben.
Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder
Sehr geehrte Frau Schnyder
Vielen Dank für die ausführliche und hilfreiche Rückmeldung!
Freundliche Grüsse
Fabienne Sigrist