Guten Tag liebes Expertenteam
Wir gelangen an sie bezüglich folgender Fragestellung:
Ein Klient hat sich bei unserem Dienst gemeldet für die Prüfung eines möglichen Anspruches auf Sozialhilfe. Er ist 56 Jahre, ausgesteuert, verheiratet.
Er hat sich vor Jahren selbständig gemacht mit Weinverkauf und Modelleisenbahnverkauf. Er erzielt einen Nettoertrag pro Monat von weniger als Fr. 1000.-
Er macht folgende finanzielle Situation geltend:
- Kreditaufnahme bei der Bank in Höhe von Fr. 120.000.- für die Selbständigkeit. Er bestreitet davon auch seinen Lebensunterhalt. Aktueller Kontostand Fr. 101.450 (in Form von einem Minusbetrag ersichtlich auf dem Kontoauszug)
- Namenaktien: Fr. 37549
- Rückkaufswert Säule 3b und Säule 3a Fr. 80.000 (verpfändet in die Liegenschaft)
Eigenheim:
Liegenschaft Kaufpreis: Fr. 545.000
Belastet mit Hypotheken: Fr. 530.000
Wert Auto: Fr. 29.500 (monatliches Leasing)
Der Klient macht bei uns Sozialhilfe bzw. Nothilfe geltend, welche wir in einem ersten Schritt aufgrund des vorhanden Vermögen (Kredit) formlos abgelehnt haben. Er möchte nun eine Ablehnungsverfügung und diese gegebenenfalls beschweren.
Zentrale Frage:
Der Klient sieht die Fr. 120.000.- nicht als Guthaben, sondern als Schuld. Aus unserer Sicht lebt er aktuell von dem Guthaben. Der Sozialdienst würde so indirekt Schulden bezahlen.
Können Sie diese Argumentation so stützen, bzw. haben Sie dazu noch weitere rechtliche Ausführungen?
Besten Dank für Ihre Bemühungen.
Freundliche Grüsse
Sabine Bauer
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Bauer
Vielen Dank für Ihre absolut nachvollziehbare Frage, die ich gerne wie folgt beantworte:
- Zu Ihrer Frage betr. den Bankkredit von aktuell noch über CHF 100'000.--. Nach Kapitel A.4 der SKOS-Richtlinien, die im Kanton Bern anwendbar sind (Art.8 SHV BE), ist jemand bedürftig, der sich nicht selbst helfen kann und wenn Hilfe von dritter Seite nicht oder nicht rechtzeitig erhältlich ist. Es besteht kein Wahlecht zu vorrangigen Hilfsquellen und Sozialhilfe. In Art. 9 SHG BE wird diese Formulierung wortwörtlich wiederholt. Zum Kredit, der rechtlich einem Darlehen entspricht, findet sich weder in den SKOS-Richtlinien noch in den gesetzlichen Grundlagen des Kantons Bern eine ausdrückliche Regelung. In Art. 10 SHV BE, dass die Tilgung von Schulden i.d.R. nicht berücksichtigt wird. Das Bundesgericht taxiert Darlehen klar als anrechenbare Einnahmen (Bger vom 13.11.200, 2P.127/2000 E.2). Dies tut auch die Lehre, wenn auch mit Einschränkungen (Guido Wizent, Die sozialhilferechtlich Bedürftigkeit, Zürich 2014, S. 438 ).
Aus dem Gesagten folgere ich, dass der Bankkredit Ihres Gesuchstellers, der offenbar auch für den Lebensunterhalt eingesetzt werden kann, den Leistungen der Sozialhilfe vorgeht und aufgebraucht werden muss, bevor der Gesuchsteller Unterstützung von der Sozialhilfe erhält. Wie ich unter Ziff. 2 hiernach aufzeige, ist der Gesuchsteller aber auch nicht bedürftig, wenn der Kredit nicht berücksichtigt wird. - Nach Kapitel 2.1 der SKOS-Richtlinien ist nach dem Subsidiaritätsprinzip das Verwerten von Vermögen wie Aktien Voraussetzung für die Gewährung von wirtschaftlicher Hilfe. Dieser Grundsatz findet sich ebenfalls im Sozialhilfehandbuchs des Kantons Bern. Vermögenswerte sind, soweit zumutbar, bis auf den Vermögensfreibetrag zu verbrauchen. für Ehepaare beträgt der Vermögensfreibetrag CHF 8'000.--. Damit hat der Antragsteller vor Unterstützungsaufnahme seine Namensaktien zu verwerten und den Erlös bis zum Betrag von CHF 8'000.-- zu verbrauchen, bis er (und seine Frau) bedürftig sind.
- Nicht zu berücksichtigen als Vermögenswert ist das Fahrzeug, da es geleast ist. Die Liegenschaft hindert die Aufnahme der Unterstützung nicht, da sie nicht flüssiges Vermögen darstellt.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen weiterhelfen zu können.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Liebe Frau Bauer
Ich entschuldige mich für das Emoji, das versehentlich hineingerutscht ist.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach
Guten Tag Frau Loosli
besten Dank für Ihre Ausführungen, welche für uns sehr nützlich sind.
Freundliche Grüsse
Sabine Bauer