Guten Tag
Eine Klientin in einer IV-Massnahme hatte längere Zeit während dieser Massnahme ein SUVA-Taggeld bezogen.
Nachdem sie wieder zu arbeiten begonnen hatte, wurde sie krank. Die IV wollte dann keine Krankentaggelder ausrichten, weil sie den SUVA-Bezug anrechnete.
In der Kapitelüberschrift 4.3.2 der KSTI (1025 1/12 - 1025.3 1/16) wird zwar nicht zwischen Unfall und Krankheit unterschieden, aber es geht ja um Taggelder der IV und nicht der SUVA.
Von daher dürften die SUVA-Taggelder doch nicht einfach angerechnet werden - oder steht an einem anderen Ort ein Verweis, das das rechtens ist?
Rz1068 sagt diesbezüglich ja auch nichts, sondern geht nur davon aus, dass sich diese Taggeldansprüche ablösen - es steht aber nichts darin, dass sie sich auf die Bezugsdauer anrechnen lassen.
Vielen Dank für Ihre Einschätzung
M. Blindow
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Lieber Herr Blindow
1. Gemäss Art. 22 Abs. 6 IVG und Art 11a abs. 1 IVT sowie gemäss Art. 20quater und Art. 22quater IVV wird bei Unterbrechung von Eingliederungsmassnahmen wegen Krankheit oder Unfall den vP das Taggeld weitergewährt.
Das gilt aber nur, wenn sie keinen Anspruch auf ein Taggeld einer anderen obligatorischen Sozialversicherung oder auf ein Taggeld einer freiwilligen Taggeldversicherung in mindestens der gleichen Höhe wie das Taggeld der Invalidenversicherung haben.
Wenn ich die Anfrage richtig verstehe, bestand hier ein Anspruch auf ein SUVA-Taggeld, weswegen also die Gewährung des IV-Taggeldes während der UV-Taggelder unterbleiben konnte.
2. Das hat den Grund in den bestehenden Koordinationsregeln zwischen dem UV-Taggeld und dem IV-Taggeld:
a) Nach einem Unfall erhalten UV-Versicherte vom dritten Tag an das Taggeld der UV. Ein Anspruch auf IV-Taggelder entsteht im Zeitpunkt, ab dem die Eingliederungsmassnahmen von der IV übernommen werden. In diesem Zeitpunkt fällt das Taggeld der UV dahin (Art. 16 UVG). Dies gilt auch für eine allfällige Rente der UV (Art. 30 UVV) sowie für Übergangstaggelder oder Übergangsentschädigungen der UV (Art. 89 UVV).
b) Eine Ausnahme besteht, wenn die Unfallversicherung noch Heilbehandlungen vornimmt, während der Massnahmen, welche ein UV-Taggeld zur Folge haben. In einem solchen Fall besteht noch kein Anspruch auf IV-Taggelder (vgl. Art. 18 IVV). Nach Abschluss der Heilbehandlungen der UV ist hingegen das von der UV allenfalls noch weitergewährte Taggeld (oder eine Rente der UV – siehe Art. 30 UVV) durch das Taggeld der IV abzulösen, sobald die Anspruchsvoraus- setzungen gemäss Art. 18 IVV für diese erfüllt sind (Art. 16 Abs. 3 UVG).
Vgl. dazu Rz. 1025.3, 1046 und 1068 des Kreisschreibens über die Taggelder der Invalidenversicherung (Stand 1.1.2019).
3. Gemäss Art. 20quater Abs. 2 IVV ist die Höchstzahl der Taggelder der IV, die trotz Krankheit oder Unfall ohne Absolvierung der Eingliederungsmassnahmen gewährt werden, zeitlich beschränkt. Z.B. auf 30 Tage im ersten Jahr der Eingliederungsmassnahme (vgl. z.B. Art. 20quater Abs. 2 lit. a bis c IVV).
4. In Ihrem Fall wurde nun, wenn ich es richtig verstehe, an die Höchstzahl der möglichen IV-Taggelder bei Krankheit oder Unfall auch die Zeit angerechnet, in der die Unfallversicherung (und nicht die IV) Taggeld während der Massnhame ausgerichtet hatte. Und deswegen wurden die IV-Taggelder bei einer erneuten Erkrankung nicht mehr gewährt.
Für dieses Vorgehen habe ich keine Rechtsgrundlage gefunden. Auch der Wortlaut von Art. 20quater IVV spricht gegen die Zulässigkeit des Vorgehens der IV.
Vor diesem Hintergrund rate ich, die entsprechende Abrechnung anzufechten (oder eine formale Entscheidung zu verlangen). Beziehungsweise, wenn dafür Zeit ist und keine Frist läuft, informell um eine entsprechende Begründung und die Rechtsgrundlagen hierfür bei der IV nachzufragen, um der IV eine Wiedererwägung zu ermöglichen..
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot