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AHV-Pflicht von einem Lohn eines geschützen Arbeitsplatzes

Veröffentlicht:
07.11.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Grüezi
Bei der Prüfung von Bericht und Rechnung (Revisorat KESB) liegt folgender Sachverhalt vor: Die Klientin arbeitet in einer Werkstätte und erhält dafür einen Monatslohn von Fr. 300 (mal 13), somit einen Jahreslohn von Fr. 3'900. Auf der Lohnabrechnung der Stiftung wird keine AHV abgezogen. Lediglich der UVG-Beitrag (NBU) wird in Abzug gebracht. Die Stiftung befindet sich im Kanton SG. Die Klientin hat sich als Nichterwerbstätige in ihrem Wohnkanton gemeldet und zahlt den Mindestbeitrag von Fr. 478 plus VK 24 = Fr. 502/Jahr.
Auf Rückfrage beim Arbeitgeber, warum keine AHV abgezogen wird, erhielt ich die Antwort, weil alle Löhne unter Fr. 4667/Jahr von der SVA SG befreit seien, denn die Mitarbeiter gelten als Nichterwerbstätige und müssten sowieso den Mindestbetrag selber abführen.
Die Rückfrage bei der SVA SG ergab, dass dies tatsächlich so gehandhabt wird. Der Kanton erstelle jährlich eine Liste worauf die Stiftungen aufgeführt seien, die Lohnsummen unter Fr. 4667 nicht zu verahven haben - mit den gleichen Verweisen auf das Merkblatt der Beiträge für Nichterwerbstätige resp. die Wegleitung RZ 2025.
Ich vertrete die Auffassung, dass dies nicht korrekt ist und der Klientin so die Arbeitgeberbeiträge für die AHV entgehen. Denn wer ein geringes Erwerbsaufkommen aufweist, kann von der Ausgleichskasse verlangen, dass die Beiträge vom Erwerbseinkommen an Ihre Nichterwerbstätigen-Beiträge angerechnet werden (Merkblatt 2.03, Ziff. 9). Abklärungen im der Ausgleichskasse im Wohnkanton haben dies bestätigt.
Die Verweise auf die Wegleitung (für Beiträge NE) der SVA SG erklären meiner Meinung nach nur die Unterscheidung, wann ein Versicherter als Erwerbstätiger resp. als Nichterwerbstätiger qualifiziert.
Wäre der Lohn unter Fr. 2300/Jahr würde er als geringfügig gelten, aber höhere Löhne sind doch kantonsübergreifend als massgebender Lohn zu qualifizieren und entsprechend abzurechnen? Unabhängig davon, ob es sich um eine "geschützte Werkstätte" handelt.
Wie ist vorzugehen, um den Lohn als AHV-pflichtigen Lohn abrechnen zu lassen?
Besten Dank für Ihre Antwort, freundliche Grüsse
Renate Schlotterbeck

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Frau Schlotterbeck
Der Kreis der Nichterwerbstätigen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Satz 2 des AHVG wird im Kreisschreiben mit dem Namen «Wegleitung über die Beiträge2der Selbstständigerwerbenden und Nichterwerbstätigenin der AHV, IV und EO (WSN), Stand 1.1.2018 näher gefasst.
Gemäss Rz. 2024 gilt zunächst, dass auch für beschränkt arbeitsfähige Versicherte die allgemeinen Regeln für die Abgrenzung von erwerbstätigen von den nichterwerbstätigen Versicherten (siehe Rz 2003 ff.) auf die beschränkt arbeitsfähigen Versicherten anwendbar sind. Das gilt explizit auch für Personen, die in „Geschützten Werkstätten“ und „Beschäftigungsstätten“ arbeiten sowie für AsylbewerberInnen vorläufig Aufgenommene und Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung, die im Rahmen von Be- schäftigungsprogrammen eingesetzt werden.
Im Weiteren gilt gemäss Rz 2025 der WSN, als Sondernorm, dass Personen, die in „Geschützten Werkstätten“ und „Beschäftigungsstätten“ arbeiten oder im Rahmen von Beschäftigungsprogrammen eingesetzt werden, grundsätzlich als nichterwerbstätig gelten, sofern sie weniger als 18.80 Franken pro Tag erhalten. Gleich zu behandeln sind auch Beschäftigte, deren Vergütung diesen Ansatz zwar überschreitet, die aber wegen nur zeitweiliger Arbeitsfähigkeit den Betrag von 4 667 Franken im Kalenderjahr (= dem Mindestbeitrag entsprechender IK-Eintrag) nachgewiesenermassen nicht erreichen.
Der Tagesansatz wird dabei ermittelt, indem der auf das nächste Hundert aufgerundete, dem Mindestbeitrag entsprechende IK-Eintrag durch die Jahresstundenzahl 2000 dividiert und mit der Tagesstundenzahl 8 multipliziert wird.
Vor dem Hintergrund dieser Angabe in der Wegleitung ist also primär nach den allgemeinen Regeln zu prüfen, ob eine Erwerbstätigkeit vorliegt, also eine Tätigkeit, die auf Erzielung von Einkommen gerichtet ist und zu einer Erhöhung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit führt (BGE 115 V 161). Dafür von Relevanz sind die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse.
Es ist vor diesem Hintergrund nach meiner Ansicht nicht absolut unmöglich, dass auch in einer Werkstätte in diesem Sinne wirtschaftlich produktive Tätigkeiten vollbracht werden.
Lässt sich dies aber nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit belegen, so greift die Vermutung, dass die Tätigkeit in einer geschützten Werkstatt bei einem Tagessatz von unter CHF 18.80 die Betreffenden noch als nichterwerbstätig gelten.
Bei höheren Vergütungsansätzen für Personen in Werkstätten gilt nach meiner Ansicht für die Qualifizierung als nichterwerbstätig Folgendes: Es muss nach Massgabe des Kreisschreibens erstens ein Jahreslohn von unter CHF 4667 vorliegen UND kumultativ muss dieser Jahreslohn nicht erreicht werden WEIL die Person nur zeitweilig, also vorübergehend arbeitsfähig war. Also Fälle, wo der Bewohner nur während eines Teils des Jahres in der Werkstätte war, weil in anderen Teilen des Jahres die Arbeitsfähigkeit fehlte. M.E. muss dies bei diesen Personen im Einzelfall geprüft werden, und es kann nicht IMMER bei Engelten unter CHF 4667 auf die Abzüge für Erwerbstätige verzichtet werden.
Daraus ergibt sich, dass etwa im Fall, wenn ihr Klient von Vornherein teilzeittätig ist in der Werkstatt und DESWEGEN die CHF 4667 Jahreslohn nicht erreicht, eine Abrechnung als unselbständig Erwerbstätiger erfolgen müsste. Ich rate in diesem Fall in einem ersten Schritt, bei der Ausgleichskasse gut begründet eine nachträgliche Abrechnung zu verlangen und bei Widerstand eine rechtsmittelfähige Verfügung zu verlangen. Gegen diese kann dann nach Bedarf eine Einsprache geprüft werden. Da hier die Rechtslage nicht ganz eindeutig ist und die Einschätzung der Prozesschancen nicht zuletzt auch von der konkreten Tätigkeit und den spezifischen Verhältnissen abhängen dürfte, rate ich Ihnen dann zu so einem Schritt nur mit juristischer Unterstützung.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot

Sehr geehrter Herr Mösch
Besten Dank für Ihr Antwortschreiben.
Klar ist, dass die Klientin als Nichterwerbstätige qualifiziert und sie entsprechend Nichterwerbstätigenbeiträge leisten muss, weil sie unter CHF 4667/Jahr verdient.
Aus ihrer Tätigkeit in der Werkstätte würden ihr die Beiträge (AG+AN) bei der Berechnung des Nichterwerbstätigenbeitrags angerechnet. Die Werkstatttätigkeit ist weder vorübergehend noch ein Teilzeitpensum.
Für mich ist weiterhin mit dieser Antwort nicht geklärt, ob die Stiftung für den ausbezahlten Lohn Arbeitgeberbeiträge an die AHV zu entrichten hat? (Was sie aktuell nicht tut).
Besten Dank und freundliche Grüsse
Renate Schlotterbeck

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Frau Schlotterbeck
Besten Dank für die Rückfrage.
Wenn in Ihrem Fall Vollzeit mit dem Entgelt von unter 4667/Jahr in der Werkstatt arbeitet, so wird grundsätzlich von einer nichterwerbstätigen Person ausgegangen.
Die Tätigkeit gilt in dem Sinne nicht als von einem wirtschaftlichen Interesse getragen. Somit ist grundsätzlich auch für das entsprechende Entgelt kein Arbeitgeberbeitrag geschuldet.
Peter Mösch Payot