Guten Tag
Unser Klient hat im letzten Herbst seine Wohnung aufgelöst und sich für einen stationären Aufenthalt in einer Entzugsklinik angemeldet. Seine 3- Zimmerwohnung hat er zuvor aufgelöst und die Möbel in einer Einstellhalle eingestellt. Die Gemeinde hat bis heute die Einstellgebühren bezahlt, die Gebühren seinem Sozialhilfekonto verrechnet.
Der Klient hat schon nach wenigen Wochen den Entzug abgebrochen und ist nicht mehr aufgetaucht. Seit drei Monaten haben wir nichts mehr von ihm gehört. Der Mietvertrag läuft Ende März aus. Der Klient hat vor Eintritt ein Schreiben unterschrieben, dass er seine Möbel bis Ende Jahr 2020 einstellen kann und danach die Möbel entsorgt werden. Aufgrund der hochwertigen Möbel erachten wir es als schade, wenn die Möbel nun dem Abfall zugeführt werden. Machen wir uns strafbar, wenn wir die Möbel veräussern und den Ertrag dem Sozialhilfekonto zuführen? Der Klient hat sich nicht mehr gemeldet, er wird von diversen Stellen gesucht. Aktuell sind wir aber weiterhin sein Unterstützungswohnsitz. Das heisst wir müssten ihn, wenn er sich wieder bei uns meldet erneut unterstützen.
Was können wir machen? Sollen wir die Entsorgung dem Vermieter überlassen? Ist es vertretbar eine Institution damit zu beauftragen. Leider hat er keine Anschrift mehr, auf Email oder Telefon reagiert er nicht.
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrter Herr Huggler
Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt.
Vorausschicken möchte ich, dass für mich zweifelhaft ist, ob der Klient seinen Unterstützungswohnsitz noch in Ihrer Gemeinde hat. Ein Bedürftiger hat seinen unterstützungsrechtlichen Wohnsitz nach Art. 4 des Zuständigkeitsgesetzes (ZUG) in dem Kanton, in dem er sich mit der Absicht des dauernden Verbleibs aufhält. Die polizeiliche Anmeldung ist dabei nur ein Indiz für den Wohnsitz (Art. 4 Abs. 2 ZUG). Ist ein Bedürftiger an einem Ort angemeldet, hat er aber dort tatsächlich nicht seinen Lebensmittelpunkt und auch nicht seinen Aufenthalt, ist der Kanton nicht zustädig. Innerhalb des Kantons bestimmt sich die Zuständigkeit der Gemeinden nach § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe und die soziale Prävention (SPG). Gemäss dieser Bestimmung ist die Gemeinde am Wohnsitz oder Aufenthalt zuständig. Im Übrigen ist das ZUG anwendbar.
Ist der Klient nicht mehr auffindbar und meldet sich nicht mehr, ist unklar, ob er seinen Lebensmittelpunkt oder zumindest Aufenthalt noch in Ihrer Gemeinde hat, weshalb die Unterstützung bei Wiederanmeldung nicht ohne Weiteres wieder aufgenommen werden muss, sondern zuerst der Nachweis des Wohnsitzes oder doch zumindest des Aufenthalts in Ihrer Gemeinde erbracht werden muss. Dazu reicht die polizeiliche Anmelundung nicht aus. Aufgrund der gesamten objektiven Umstände muss der Lebensmittelpunkt oder zumindest der Aufenthalt in Ihrer Gemeinde liegen.
Nun aber zu Ihrer eigentlichen Frage: Ob die Möbel von der Sozialhilfe veräussert werden dürfen.
Für die Bemessung der materiellen Hilfe sind nach § 10 der Sozialhilfe- und Präventionsverordnung des Kantons Aargau (SPV) die SKOS-Richtlinien, Fassung 2004, Ergänzungen 2017, massgebend. Nach Lit. C. 1. 5 dieser (grundsätzlich bis 31.12.2020 gültigen Fassung, aufgrund des Verweises in der SPV im Kanton Aargau aber noch heute gültigen Fassung) können neben dem Grundbedarf, den Wohn- und Gesundheitskosten weitere materielle Leistunen erbracht werden, die der besonderen Situation einer bedürftigen Person geschuldet sind.
Die Sozialhilfe kann damit Möbellagerkosten übernehmen, wenn es sinnvoll und der Situation einer bedürftigen Person als gerecht werdend erscheint.
Die Sozialhilfe erhält aber durch die Übernahme dieser Gebühren keinen Aspruch darauf, nach Ende der Einlagerungsdauer bzw. der Übernahme der Kosten die Möbel eigenmächtig zu verkaufen. Denn nur der Eigentümer hat nach Art. 641 des Zivilgesetzbuches (ZGB) das Recht, über die in seinem Eigentum stehende Sachen in den Schranken der Rechtsordnung zu verfügen, sie herauszuverlangen, wenn sie ihm unrechtmässig vorenthalten werden und jede ungerechtfertigte Einwirkung abzuwehren. Zudem besteht zwischen der Sozialhilfe und dem Klienten kein Einlagerungsvertrag. Dieser besteht zwischen dem Klienten und der Einlagerungsfirma. Holt der Klient die Möbel nach Ende des Einlagerungsvertrags nicht ab, besteht zwischen ihm und der Einlagerungsfirma und nicht zwischen ihm und der Sozialhilfe allenfalls ein Rechtsstreit. Die Einlagerungsfirma muss gegen den Klienten rechtlich vorgehen, wenn er seine Möbel nicht abholt. Der Verkauf der Möbel ohne ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Klienten durch die Sozialhilfe als Nichteigentümerin und Nichtvertragspartnerin wäre dagegen rechtlich äusserst heikel. Allenfalls muss gar mit einer Strafanzeige gerechnet werden. Ebenfalls heikel fände ich, den Erlös dem Sozialhilfekonto des Klienten gutzuschreiben. Aktuell wird er - wenn ich das richtig verstanden habe - finanziell nicht mehr unterstützt. Die durch den Verkauf erzielten finanziellen Mittel können deshalb nicht ohne Weiteres dem Sozialhilfekonto des Klienten gutgeschrieben werden. Es müssten die Voraussetzungen für eine Rückerstattung gegeben sein, d..h. die Verhältnisse sich soweit gebessert haben, dass eine Rückerstattung zuzumutbar ist (§ 20 SPG). Diese Situation tritt nach § 20 Abs. 2 SPV ein, wenn bei Einzelpersonen Vermögen von über Fr. 5'000.-- gebildet wird. Es könnte auf dem Verfügungsweg deshalb nur der Fr. 5'000.-- übersteigende Erlös zurückverlangt werden.
Fazit: Die Gemeinde ist meiner Meinung nach rechtlich nicht dazu berechtigt, die Möbel des Klienten ohne dessen Einverständnis zu veräussern und ohne Rückerstattungsverfügung oder Vereinbarung mit dem Klienten den Erlös seinem Konto gutzuschreiben. Andernfalls muss sie mit rechtlichen Konsequenzen rechnen.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach