Digitalisierung Fokusartikel

«Hacken» für gute Zwecke

April 2023

Am «Hack4SocialGood» trafen Fachpersonen aus der Informatik und der Sozialen Arbeit zusammen, um gemeinsam digitale Lösungen für soziale Probleme zu erarbeiten. Das Veranstaltungsformat ermöglicht es, Ideen voranzutreiben, für die im Sozialwesen sonst oft die Kapazitäten fehlen. Die Veranstaltenden legten viel Wert darauf, auch Eltern mit Betreuungspflichten die Teilnahme zu ermöglichen.

Hackathons sind eine innovative Form, die Digitalisierung gesellschaftlich mitzugestalten. Diese kollaborative Arbeitsweise ermöglicht es, Lösungen für gesellschaftliche Anliegen lustvoll und kreativ voranzutreiben. Kein Wunder, hat die Soziale Arbeit dieses Veranstaltungsformat für sich entdeckt.

Hack4SocialGood

Ein Hackathon ist eine Veranstaltung, an der kollaborativ Lösungen für digitale Probleme entwickelt werden. In den interdisziplinären Teams mischen sich Kompetenzen aus dem IT-Bereich mit solchen anderer Fachbereiche.

Die BFH hat den «Hack4SocialGood» 2023 zum zweiten Mal durchgeführt, dieses Mal in Kooperation mit drei anderen Hochschulen (HE-SO Valais, ZHAW und FHNW). Der Anlass soll künftig regelmässig stattfinden; die nächste Durchführung ist für 2024 vorgesehen.

sozialinfo.ch hat die Veranstaltung gesponsert.

Die Berner Fachhochschule (BFH) hat in Kooperation mit drei weiteren Fachhochschulen (HE-SO Valais, ZHAW und FHNW) zum zweiten Mal den zweitägigen «Hack4SocialGood» organisiert. An dieser Veranstaltung wurden acht von dreizehn im Vorfeld eingereichten Projekten, sogenannte «Challenges», in interdisziplinären Teams bearbeitet. Eine der Herausforderungen war dabei, in einer zusammengewürfelten Gruppe von Freiwilligen, die teils aus der IT-Branche, teils aus dem Sozialwesen stammten, schnell produktiv zu werden und in kurzer Zeit Lösungsansätze für ein definiertes Problem zu erarbeiten. Besonders spannend ist auch, wie die notorischen Verständigungsschwierigkeiten zwischen Programmierer*innen und ihren Stakeholdern – in diesem Fall Sozialarbeitenden – überwunden werden können.


«Die Stimmung war gut und wir haben viel dazugelernt»

Debra Hevenstone

Debra Hevenstone, Dozentin für Soziale Arbeit an der BFH, hat als Co-Organisatorin zusammen mit Oliver Hümbelin den Hack4SocialGood mitorganisiert. Im Gespräch erzählt sie von den Hintergründen.

sozialinfo.ch / Martin Heiniger: Debra, bist du zufrieden mit der diesjährigen Ausgabe des Hack4SocialGood?

Debra Hevenstone: Ich bin sehr zufrieden. Die Stimmung war gut, wir haben viel dazugelernt und die meisten der Challenges waren gut durchgearbeitet. Aber ich sehe auch Verbesserungspotential. Ein Ziel wäre etwa, genug Teilnehmende zu haben, damit alle Challenges bearbeitet werden können. Auch die Verteilung der Teilnehmenden auf die Challenges dürfte ausgeglichener sein. Ich bin sicher, im 2024 wird es noch besser.

Ich hatte den Eindruck, dass die Teilnehmenden aus dem Sozialbereich in Überzahl waren. Ist es schwieriger, für eine solche Veranstaltung Personen aus der Informatik zu finden?

Um Personen aus dem Sozialbereich zu finden, können wir unsere persönlichen Netzwerke nutzen, deshalb ist das für uns einfacher. Zum Informatik-Bereich haben wir weniger direkten Zugang. Um mehr Teilnehmende aus dem IT-Bereich zu finden, wollen wir für die nächste Durchführung im 2024 die Zusammenarbeit mit den Informatik-Departementen der Fachhochschulen und mit Powercoders-Programmen zu suchen. Zudem wäre es schön, wenn wir Französisch sprechende Leute aus der Westschweiz ansprechen könnten, auch wenn das die Organisation schwieriger macht.

Was ist der Gewinn für Teilnehmende, die nicht selbst ein Anliegen haben und eine Challenge eingereicht haben?

Die Frage der Motivation ist natürlich zentral, gerade auch wenn man Personen aus dem IT-Bereich ansprechen will. Ich denke, die Vorstellung, dass Vollzeitarbeitende aus dem Bereich auch noch am Wochenende freiwillig arbeiten wollen, ist nicht so realistisch. Jedoch kann die Teilnahme beim Berufseinstieg hilfreich sein, besonders wenn man im Sozialbereich arbeiten möchte. Wenn man am Ende des Studiums ist und einen Job sucht, hat man hier ein sehr gutes Publikum um zu zeigen, was man kann. Ausserdem gibt es aber auch einen sozialen Aspekt. Für Menschen, die ihr persönliches Netzwerk vergrössern wollen, kann der Kontakt mit dem Sozialbereich spannend sein.

Man hat hier ein sehr gutes Publikum um zu zeigen, was man kann.

Debra Hevenstone

Es gibt die Kritik, dass an Hackathons Arbeit gratis geleistet wird, die eigentlich bezahlt werden sollte.

Ja, auf der einen Seite verstehe ich das, und ich finde es wichtig, das zu bedenken, damit niemand ausgenutzt wird. Auf der anderen Seite werden an einer solchen Veranstaltung keine fertigen Endprodukte kreiert. Es geht vielmehr darum, dass in Organisationen oft spannende Ideen für neue Projekt vorhanden sind, die aber aus Kapazitätsgründen nicht weiterverfolgt und umgesetzt werden können. In solchen Fällen kann ein Hackathon wertvolle Entwicklungsimpulse geben, aus denen dann bezahlte Aufträge entstehen können.

Das Klischee besagt, dass es bei der Verständigung zwischen IT-Fachleuten und anderen Berufsgruppen gewisse Hürden gibt. Spielte dies am Hack4SocialGood eine Rolle?

Bei der Vorbereitung des Hackathons ist mir diese Frage in der Literatur wiederholt begegnet. Es gibt sicher eine gewisse Heterogenität, so gehört es für manche zur IT-Kultur, an einem Hackathon die Nacht durchzuarbeiten. Die Leute aus dem Sozialbereich möchten das eher nicht. Am Hack4SocialGood habe ich aber keine solchen Spannungen wahrgenommen. Wir hatten zwar eine Gruppe, bei der die Teilnehmenden aus der IT länger arbeiten wollten, aber die Personen aus dem Sozialbereich waren davon begeistert. Ein anderes Thema ist, dass Sozialarbeitende manchmal Angst haben, von Personen aus dem IT-Bereich behandelt zu werden als ob sie keine Ahnung hätten. Das habe ich aber überhaupt nicht gesehen. Ich war vielmehr beeindruckt, wie respektvoll der Umgang war.

In der Informatik gibt es LowCode- und NoCode-Ansätze, die es auch Personen ohne Programmierkenntnisse ermöglichen, Informatiklösungen zu kreieren und beispielsweise Prototypen zu programmieren. Könnten diese künftig bei solchen Anlässen eine Rolle spielen?

Das war eine Diskussion zwischen meinem Co-Organisator Oliver Hümbelin und mir. Wir sind uns aber noch nicht ganz einig. Oliver ist eher offen dafür, eine No-Code-Veranstaltung zu machen, als ich es bin. Denn auch für NoCode braucht es gewisse Kenntnisse, und wenn diese fehlen ist es schwierig, in der kurzen Zeit gute Resultate zu erzielen. Für die nächste Durchführung im 2024 werden wir sehen, wie es sich entwickelt.


Parallele Kinderbetreuung

Der Hack4SocialGood hatte noch eine weitere kleine Innovation auf Lager: um auch Personen mit Erziehungspflichten eine Teilnahme zu ermöglichen, wurde in Zusammenarbeit mit der PH Bern ein Kinderbetreuungsprogramm für Kinder ab vier Jahren angeboten.

sozialinfo.ch / Martin Heiniger: Was war der Hintergedanke dabei, eine Kinderbetreuung anzubieten?

Debra Hevenstone: Es gab zwei Gründe. Zum einen schreibe ich an einem Artikel über die Auswertung eines anderen Hackathons. Da gab es Rückmeldungen, dass die Teilnahme für Eltern schwierig war, weil es keine Kinderbetreuung gab. Zum anderen bin ich persönlich selbst in dieser Situation, da ich ein sechsjähriges Kind habe. Deshalb wollte ich für Kinder ab vier Jahren eine Betreuungsmöglichkeit anbieten, die zudem auch thematisch mit dem Hackathon verbunden sein sollte. Wir haben dafür Pascal Zaugg von der Pädagogischen Hochschule Bern (PH) angefragt. Drei Studierende der PH (Jamilla Leist, Giuseppina und Sarah Schlup) haben dann einen wunderschönen digitalen Workshop für Kinder mit programmierbar Roboter durchgeführt.

Wie ist das angekommen?

Es war ein voller Erfolg, die Kinder waren engagiert bei der Sache, und die Eltern konnten ungestört arbeiten. Es war auch für mich eine wunderbare Kombination, an diesem Anlass aktiv dabei zu sein und zwischendurch schauen zu können, was meine Tochter macht. Sie war begeistert, obwohl sie sich bisher nicht besonders für Roboter und für das Programmieren interessiert hat. Für die Eltern war es auch eine Chance, digitale Spielzeuge kennenzulernen. Die PH hat mit dem Angebot unsere Erwartungen übertroffen, obwohl die Planung gar nicht so einfach war. Es waren elf Kinder von Teilnehmenden oder Organisator*innen angemeldet worden, aber im Verlauf des Tages sind dann immer mehr Kinder dazugekommen. Ich hatte den Eindruck, dass nicht alle zu Teilnehmenden des Hackathons gehörten. Möglicherweise haben manche Teilnehmenden Bekannte informiert, dass es hier einen tollen Gratis-Kinderhütedienst gibt. Wir sind da ein wenig Opfer unseres eigenen Erfolgs geworden.

Plant die BFH, dies auch für andere Veranstaltungen anzubieten?

Das ist eine offene Frage. Viele Veranstaltungen der BFH finden an Randzeiten statt, und wenn man Eltern mit Betreuungspflichten dabeihaben will, sind solche Parallelveranstaltungen eine gute Möglichkeit. Ich bin aber etwas skeptisch, ob sich das immer umsetzen lässt, da es Geld und Zeit kostet.


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