Das Thema Obdachlosigkeit
Obdachlosigkeit ist ein in der Schweiz zu wenig beforschtes Thema und der Praxis mangelt es an Ansprechpersonen aus der Wissenschaft, mit der sie ihre Arbeit reflektieren kann.
Wie viele Menschen in der Schweiz obdachlos sind, darüber gibt es kaum verlässliche Zahlen. Die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) treibt deshalb Forschung in diesem Bereich voran.
Die Wohnversorgung in der Schweiz ist insgesamt gut. Dies gilt jedoch nicht für weniger privilegierte Menschen. Gegen 84 Prozent der armutsbetroffenen Haushalte und 57 Prozent der Haushalte in prekären Lebenslagen verfügen nicht über eine angemessene und sichere Wohnsituation.
Das gesellschaftliche Bild von Obdachlosigkeit ist stark durch die Medien geprägt, die ein reges Interesse an diesem Thema haben. Hingegen gibt es erstaunlich wenig gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zur Obdachlosigkeit in der Schweiz.
Der kürzlich veröffentlichte erste „Nationale Bericht“ zur Obdachlosigkeit in der Schweiz ist ein Schritt, um diese Lücke zu schliessen. Er wurde im Rahmen eines Projektes der FHNW von Matthias Drilling, Esther Mühlethaler und Gosalya Iyandurai erarbeitet.
Die Autor*innen stellen fest, dass es bereits an einer offiziellen Definition von Obdachlosigkeit in der Schweiz mangelt. Der Bericht erarbeitet den „aktuellen Stand des Wissens“ und liefert einen systematischen Überblick über verschiedene Dimensionen, wie nationale und internationale Grundlagen, den Stand der Forschung in der Schweiz, Positionen von Fachverbänden, aber auch über die mediale Berichterstattung zum Thema.
Der Länderbericht bezieht sich stark auf die konzeptuelle und strukturelle Ebene. Davon ausgehend sind weitere Untersuchungen nötig, um konkretes Wissen über individuelle, aber auch regionale und ortsbezogene Ausprägungen des Phänomens Obdachlosigkeit zu gewinnen.
Die ebenfalls von einem Team um Matthias Drilling verantwortete Studie zu „Ausmass, Profil und Bedarf in der Region Basel“ zeigt exemplarisch auf, wie dies aussehen könnte. Ausgehend von einer Typologisierung wurden Fälle gezählt und im Sinne von konkreten Lebensweltanalysen ausgewertet. Ausserdem wurde unter anderem eine Bestandsaufnahme über die institutionellen Angebote gemacht sowie der Wohnungsmarkt analysiert.
Der Bericht schliesst mit einer Reihe von Empfehlungen, wie Obdachlosigkeit in Basel bekämpft werden kann. Die vorgeschlagenen Massnahmen umfassen etwa die Änderung der Vergabepraxis von Notschlafplätzen, eine bessere Kooperation der involvierten Institutionen oder die Entwicklung einer „Housing First Strategie“ für Basel.
Der Länderbericht konstatiert, dass das gesellschaftliche Bild von Obdachlosigkeit stark durch journalistische Berichterstattung geprägt sei. Da hinter jeder obdachlosen Person eine individuelle Biographie steht, kann ein narrativer Zugang zu einem besseren Verständnis für die Lage Betroffener führen. Ergänzend zu den Forschungsberichten haben wir für Sie einige aktuelle Medienberichte zusammengestellt.
Obdachlosigkeit ist ein in der Schweiz zu wenig beforschtes Thema und der Praxis mangelt es an Ansprechpersonen aus der Wissenschaft, mit der sie ihre Arbeit reflektieren kann.
Obdachlosigkeit als die gravierendste Form von Armut ist in der Schweiz erst seit kurzem ein Thema in der Wissenschaft. Bis anhin wurden Studien nur punktuell und thematisch unsortiert durchgeführt. Es bestand weder Anspruch auf eine Kenntnis über das Ausmass von Obdachlosigkeit in der Schweiz, noch auf deren regionale Verteilung. Bis heute fehlt auch eine rechtlich verbindliche Definition von Obdachlosigkeit und eine auf nationaler Ebene verwendbare Statistik, aus der sich ein Profil dieser Form der Armut errechnen liesse.
Ausmass, Profil und Bedarf in der Region Basel
Über Ausmass und Struktur von Obdachlosigkeit in der Schweiz gibt es aktuell wenig empirische Erkenntnisse. Mit der vorliegenden Studie wurde am Beispiel der Region Basel erstmals für die Schweiz die europäische Typologie für Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäre Wohnversorgung (ETHOS) angewendet und die Quantität, Qualität und Dynamik der Thematik erforscht.
Wie viele Menschen sind in der Schweiz obdachlos oder wohnungslos? Und weshalb? Eine Studie der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW im Auftrag der Christoph Merian Stiftung (CMS) liefert erstmals Informationen zum tatsächlichen Ausmass und den Hintergründen von Obdach- und Wohnungslosigkeit in Basel-Stadt. Die CMS-Publikation «(K)ein Daheim?» ist ein Leitfaden für alle interessierten Personen und Institutionen und zeigt auf, wie sich die CMS in diesem Bereich engagieren möchte.
Eine Hilfestellung für Kantone, Städte und Gemeinden
Die vorliegende Hilfestellung wurde im Rahmen des Nationalen Programms zur Prävention und Bekämpfung von Armut in der Schweiz erstellt. Das Programm will die Wirkung der bestehenden Präventions- und Bekämpfungsmassnahmen verstärken und dazu beitragen, dass die Massnahmen besser koordiniert sind.
Der Kontakt zu Menschen auf der Strasse ist Basis der Tätigkeit der kirchlichen Gassenarbeit. Das Team ist abends draussen unterwegs und verteilt sauberes Konsummaterial, Hygieneartikel, Präservative oder Gutscheine für die Notschlafstelle. An Orten, wo andere Institutionen nur schwer Zugang fänden.
In der Stadt Zürich gibt es genügend Notunterkünfte, um Obdachlose aufzunehmen. Weshalb lebt trotzdem gut ein Dutzend Menschen auf der Strasse?
Wissen aus Büchern muss sich am gelebten Leben überprüfen lassen, sagt der Schriftsteller Lukas Bärfuss. Ein Gespräch über Weihnachten, gute Geschenke - und Obdachlosigkeit.
In Finnland ist die Zahl der Obdachlosen stark zurückgegangen. Der Grund: Das Land wendet das „Housing First“-Konzept an. Betroffene bekommen – ohne Voraussetzung – eine kleine Wohnung und Beratung. 4 von 5 Betroffenen schaffen so den Weg in ein stabiles Leben. Und: Das ist für den Staat billiger als die Obdachlosigkeit.
Obdachlose werden systematisch übersehen: auf der Strasse und in der gesellschaftlichen Diskussion. Darunter leiden die Betroffenen.